Interview mit einem der führenden Myelomexperten: Dr. Kenneth Anderson - Teil 1: Behandlung des Multiplen Myeloms
Veröffentlicht: 21. Februar 2011 12:22


Dr. Kenneth Anderson ist einer der führenden Myelomexperten. Er ist Arzt und Wissenschafter am Dana-Farber Cancer Institut, wo er das Jerome Lipper Myelom-Zentrum leitet. Darüber hinaus ist er Professor der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Harvard Universität in Boston.
Die Forschung von Dr. Anderson hat eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von mehreren neuen Myelommedikamenten und bei der bedeutenden Verbesserung der Behandlungsergebnisse bei Myelompatienten im Laufe der letzten 10 bis 15 Jahre gespielt.
In einem Interview mit Myeloma Beacon sprach Dr. Anderson über seinen Ansatz zur Behandlung von Myelompatienten, über die Zukunft der Myelomtherapie und wie das zu einer Heilung des Myeloms führen kann. Dieser Artikel, Teil 1 einer zweiteiligen Serie, beschreibt Dr. Anderson’s Ansatz zur Behandlung des Myeloms. Teil 2 wird die Gedanken von Dr. Anderson über die Zukunft der Myelom-Behandlung abdecken.
Kombinationstherapie oder aufeinanderfolgende Therapie?
Auf die Frage, ob Patienten die Behandlung mit einer Kombination von Medikamenten beginnen sollten oder neuere Substanzen nacheinander nehmen sollten, um Optionen für einen späteren Rückfall zu aufzusparen, sagte Dr. Anderson, "Es ist keine Frage, dass wir die Kombinationstherapien von Anfang an verwenden sollten."
"Jetzt wo wir aktive Medikamente definiert haben, ist es am besten, sie frühzeitig in einem Cocktail anzuwenden," erklärte Dr. Anderson.
Er verglich das multiple Myelom mit Tuberkulose und dem menschlichem Immunschwäche-Virus, bei denen Patienten Medikamentenresistenzen entwickeln können, wenn sie mit aufeinander folgenden einzelnen Medikamenten behandelt werden. Wie bei diesen Erkrankungen, sagte Dr. Anderson, sollten Myelompatienten von Anfang an Kombinationen von Substanzen einnehmen, so dass die Krankheit nicht Resistenzen gegen verfügbare Behandlungen entwickeln kann.
Dr. Anderson erklärte, dass die derzeit beste Kombination aus Revlimid (Lenalidomid), Velcade (Bortezomib) plus Dexamethason besteht, die eine 100%-ige Ansprechrate erreicht (52 Prozent komplette Remission, 22 Prozent sehr gute partielle Remission und 26 Prozent partielle Remission). "Es gibt laufende Studien, die versuchen, das zu übertreffen, indem sie ein viertes Medikament, entweder eine Standardchemotherapie oder andere neuartige Substanz, hinzufügen," fügte Dr. Anderson hinzu.
Stammzelltransplantation
Da immer mehr Studien eine hohe Ansprechrate und eine lange Remissionsdauer bei dem Einsatz der neueren Substanzen wie Revlimid, Thalidomid und Velcade zeigen, debattieren Myelom-Spezialisten, ob die Stammzelltransplantation für Myelompatienten weiterhin notwendig ist oder ob die Behandlung mit neuartigen Substanzen wirksam genug ist.
Dr. Anderson gab an, dass der gegenwärtige Behandlungsstandard für Myelompatienten weiterhin die Stammzelltransplantation für diejenigen Patienten einschließt, die dafür die körperlichen Voraussetzungen haben.
Insbesondere empfahl Dr. Anderson die Teilnahme von Patienten in klinischen Studien. Er sagte auch, dass Patienten eine Initialbehandlung mit Revlimid-Dexamethason oder Velcade-Dexamethason oder Revlimid-Velcade-Dexamethason erhalten sollten. Patienten sollten dann ihre Stammzellen sammeln lassen und direkt zur Behandlung mit der Hochdosistherapie mit Melphalan (Alkeran) und Transplantation weitergehen, unter Verwendung der eigenen Stammzellen des Patienten (autologe Stammzelltransplantation).
Er empfahl insbesondere, "es sollten alle Patienten neuartige Substanzen als ihre Initialbehandlung erhalten. Patienten, für die eine Transplantation in Frage kommt, sollten danach die Transplantation erhalten, gefolgt von neueren Substanzen, um die Remission zu konsolidieren und aufrechtzuerhalten."
Jedoch war Dr. Anderson über den Einsatz der allogenen Stammzelltransplantation, bei der die Stammzellen von einem passenden Spender kommen, äußerst vorsichtig wegen der hohen Gefahr von Komplikationen, die mit diesem Typ der Transplantation verbunden ist.
Studien haben gezeigt, dass die allogene Stammzelltransplantation mit einer langfristigen Remission bei Myelompatienten verbunden ist. Es ist zurzeit das einzige potenzielle Heilmittel für das multiple Myelom. Einzigartig bei der Spendertransplantation ist die Eigenschaft der Spender-Stammzellen, die Myelomzellen des Empfängers als fremd zu erkennen und einen immunologischen Angriff auf die Myelomzellen zu starten. Das ist als die Graft-Versus-Myelom-Wirkung bekannt.
Trotz der mit der mit Spender-Transplantation verbundenen, langfristigen Remission sagte Dr. Anderson, "Wir verwenden die allogene Transplantation beim Myelom sehr selten."
Gerade weil die Spender-Zellen die Myelomzellen des Empfängers als fremd erkennen können, kann es passieren, dass sie auch andere Zellen des Patienten als fremd erkennen und diese angreifen. Diese immunologische Reaktion, die als Graft versus Host Erkrankung (GvHD) bekannt ist, kann schwere Haut-, Leber-, Darm- und andere Organschäden verursachen. Sie trägt auch zu der mit der allogenen Transplantation verbundenen Sterblichkeitsrate von 10 bis 20 Prozent bei.
"Besonders im Zeitalter der neuen Substanzen wird die allogene Transplantation immer weniger verwendet," erklärte Dr. Anderson. "Wenn sie durchgeführt wird, sollte es heutzutage nur im Zusammenhang mit einer klinischen Studie getan werden, um die Graft-Versus-Myelom-Wirkung auszunutzen und die Toxizität zu minimieren."
Dr. Anderson deutete an, dass Patienten, die häufige Rezidive oder einer sehr risikoreiche Form der Krankheit haben, für die allogene Transplantation in Frage kommen
Erhaltungstherapie
Nach der Stammzelltransplantation oder als initiale Therapie für diejenigen, die nicht für eine Transplantation in Frage kommen, empfahl Dr. Anderson die Erhaltungstherapie mit Revlimid.
Diese Empfehlung beruht auf drei klinischen Studien, die gezeigt haben, dass das progressionsfreie Überleben bei Patienten, die die Revlimid-Erhaltungstherapie bekamen, deutlich länger ist,.
Dr. Anderson sagte, dass bisherige Ergebnisse auch vielversprechende Ergebnisse für die Velcade-Thalidomid-Erhaltungstherapie in neu diagnostizierten älteren Myelompatienten und für die Velcade Erhaltung nach der Stammzelltransplantation gezeigt haben.
Bisphosphonate
Das multiple Myelom verursacht häufig Knochenkomplikationen, einschließlich Löcher im Knochen oder Brüche. Bisphosphonate werden verwendet, um diese Knochenerkrankung zu verlangsamen oder zu verhindern und dadurch die Lebensqualität von Myelompatienten zu verbessern.
Die Forschung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass Zometa (Zoledronsäure) auch das Überleben von Myelompatienten verlängern kann.
Dr. Anderson sagte, "Bisphosphonate sind eine sehr wichtige unterstützende Therapie für das multiple Myelom. Es wird seit Jahren angenommen, dass sie auch einen Anti-Myelom Effekt haben könnten." Trotz des verlängerten Überlebens sagte Dr. Anderson, "Der primäre Einsatz für Bisphosphonate wird immer sein, die Knochenerkrankung zu bekämpfen."
Implikationen für Myelompatienten
Basierend auf seiner Erfahrung in der Behandlung von Myelompatienten sagte Dr. Anderson, "Das mittlere Überleben, besonders bei jüngeren Patienten, beträgt sieben bis acht Jahre. Die Erhaltungstherapie fügt mindestens mehrere Jahre hinzu. So hat ein neu diagnostizierter Patient heute wahrscheinlich ein mittleres Überleben von mehr als zehn Jahren."
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