Nelfinavir-Velcade-Kombination sehr aktiv bei fortgeschrittenem, Velcade-resistentem multiplen Myelom

Die Ergebnisse einer kleinen, in der Schweiz durchgeführten Phase-2-Studie zeigen, dass das HIV-Medikament Nelfinavir in Kombination mit Velcade und Dexamethason eine vielversprechende Aktivität bei Patienten mit fortgeschrittenem, Velcade-resistentem multiplem Myelom aufweist.
Alle 34 Patienten in der Schweizer Studie waren zuvor mit Velcade behandelt worden und sprachen nicht mehr auf die Behandlung an. Alle Studienteilnehmer wurden ebenfalls vorab mit Revlimid (Lenalidomid) behandelt und hatten einen Median von fünf Vortherapielinien erhalten.
In dieser stark vorbehandelten Patientengruppe erreichte die Kombination von Nelfinavir, Velcade und Dexamethason bei 65 Prozent der Studienteilnehmer dennoch zumindest eine partielle Remssion. Weitere 20 Prozent der Patienten erreichten entweder eine minimale Remission oder eine Periode einer stabilen Erkrankung als Reaktion auf die Therapie mit den drei Medikamenten.
Die Ansprechraten in der Schweizer Studie sind angesichts der Tatsache, wie behandlungsresistent das multiple Myelom in der Regel bei Patienten wie denen in der Studie ist, beeindruckend.
In einer Studie, in der Patienten mit einem Median von nur zwei Vortherapielinien erneut mit Velcade behandelt wurden, erreichten beispielsweise weniger als 40 Prozent der Patienten eine partielle oder bessere Remission (Referenz; auf Englisch).
Eine weitere Studie umfasste 462 Patienten, die zuvor sowohl mit einem immunmodulatorischem Medikament wie Revlimid oder Pomalyst (Pomalidomide) als auch mit einem Proteasomenhemmer wie Velcade oder Kyprolis (Carfilzomib) behandelt wurden und nicht mehr darauf ansprachen. Als diese Patienten mit Therapiekombinationen behandelt wurden, die entweder Velcade, Revlimid oder Thalidomid enthielten, erreichten nur 12 Prozent eine partielle oder bessere Remission (Referenz, entsprechendes Konferenzposter [PDF]; beide auf Englisch).
Tatsächlich ist die 65-prozentige Ansprechrate, die in der Schweizer Nelfinavir-Studie erreicht wurde, höher als die 60-prozentige Ansprechrate, die in einer Studie zur Kombination von Pomalyst, Darzalex (Daratumumab) und Dexamethason bei 103 Patienten ohne vorherige Behandlung mit Pomalyst oder Darzalex und einem Median von 4 Vortherapien beobachtet wurde (Referenz; auf Englisch).
Basierend auf ihren Erkenntnissen empfehlen die Schweizer Forscher eine weitere Untersuchung von Nelfinavir in Kombination mit Velcade oder anderen Proteasomen-Inhibitoren wie Velcade oder Ninlaro (Ixazomib) bei einem breiten Spektrum von Patienten mit multiplem Myelom, nicht nur bei Patienten, die stark vorbehandelt sind.
Hintergrundinformationen
Nelfinavir (Viracept) ist ein oral verabreichtes Medikament, das zu der Substanzklasse der sogenannten „Proteasehemmer“ gehört. Nelfinavir wurde 1997 von der U.S. Food and Drug Administration zur Behandlung des humanen Immundefizienz-Virus (HIV) zugelassen, dem Virus, der das erworbene Immundefizienz-Syndrome (AIDS) verursacht.
Das ursprüngliche Patent für Nelfinavir ist in den meisten Ländern abgelaufen, so dass generische Versionen des Medikaments nun verfügbar sind. Generische Versionen von vorher patentgeschützten Medikamenten haben den gleichen Wirkstoff wie das ursprüngliche patentgeschützten Medikament, kosten aber in der Regel viel weniger.
Vorklinische Untersuchungen haben gezeigt, dass Nelfinavir die Resistenz gegen einige Inhibitoren wie Velcade, Kyprolis und Ninlaro (Ixazomib) in Myelomzellen überwinden kann (siehe verwandte Beacon-Nachrichten; auf Englisch).
Basierend auf diesen Erkenntnissen versuchten die Schweizer Forscher, die Wirksamkeit und Sicherheit von Nelfinavir in Kombination mit Velcade und Dexamethason bei Patienten mit multiplem Myelom zu beurteilen, die zuvor nicht mehr auf ein Proteasomeninhibitor-haltiges Behandlungsverfahren angesprochen hatten (darauf "refraktär" waren). Die Forscher führten zunächst eine klinische Phase-1-Studie zur Untersuchung der Nelfinavir-Kombination durch; diese Studie zeigte, dass fünf von sechs Patienten auf die Behandlung ansprachen (Referenz; auf Englisch).
Angesichts der Wirksamkeit und Sicherheit der Phase-1-Studie führten die Forscher eine Phase-2-Studie der Behandlungskombination durch.
Studiendesign
Die Phase-2-Studie umfasste 34 Patienten mit multiplem Myelom, die einen Median von fünf Vortherapien erhalten hatten. Um an der Studie teilnehmen zu können, mussten die Patienten refraktär gegenüber ihrer letzten Proteasomeninhibitor-haltigen Therapie sein und mindestens ein immunmodulatorisches Medikament wie Revlimid, Thalidomid oder Pomalyst erhalten haben.
Das mittlere Patientenalter betrug 67 Jahre.
Insgesamt hatten 76 Prozent der Studienteilnehmer zuvor eine Stammzelltransplantation erhalten. Alle Patienten hatten zuvor Velcade und Revlimid erhalten; alle waren refraktär gegenüber Velcade und 79 Prozent waren refraktär gegenüber Revlimid. Fast die Hälfte der Patienten (47 Prozent) hatten zuvor bereits Pomalyst erhalten und 44 Prozent waren dagegen resistent. Nur 6 Prozent der Patienten hatten zuvor Kyprolis erhalten und alle 6 Prozent waren dagegen refraktär.
Die mediane Zeit von der letzten Dosis der Vortherapie bis zur Registrierung in der Studie betrug 27 Tage.
Die Patienten erhielten 2,500 mg orales Nelfinavir zweimal täglich an den Tagen 1 bis 14, 1,3 mg/m2 intravenöses oder subkutanes Velcade an den Tagen 1, 4, 8 und 11 sowie 20 mg orales Dexamethason an den Tagen 1, 2, 4, 5, 8, 9, 11 und 12 für bis zu sechs 21-tägige Behandlungszyklen. Die Behandlung war aus Kostengründen auf maximal sechs Zyklen begrenzt; die in der Studie verwendeten Medikamente wurden den Forschern nicht kostenlos zur Verfügung gestellt, wie dies typischerweise bei Studien mit patentgeschützten Medikamenten ohne Generika der Fall ist.
Die präventive Behandlung von Infektionen und Blutgerinnseln war nicht Teil des Behandlungsprotokolls.
Die mediane Behandlungsdauer betrug 4,5 Monate.
Studienergebnisse
Insgesamt sprachen 65 Prozent der Patienten auf die Behandlung an; 15 Prozent erreichten eine sehr gute partielle Remission und 50 Prozent eine partielle Remission. Weitere 9 Prozent der Patienten erreichten ein minimale Remission und 12 Prozent hatten eine stabile Erkrankung.
Von den Patienten, die sowohl auf Velcade als auch auf Revlimid refraktär waren, erreichten 70 Prozent eine partielle oder bessere Remission. Die Ansprechrate war bei Patienten, die sowohl auf Velcade als auch auf Pomalyst refraktär waren, etwas niedriger (60 Prozent).
Das mittlere progressionsfreie Überleben betrug 12 Wochen, und das mittlere Gesamtüberleben betrug 12 Monate.
Die Forscher vermuten jedoch, dass der klinische Nutzen der Behandlungskombination größer gewesen wäre, wenn sie in der Lage gewesen wären, eine längere Behandlung für diejenigen anzubieten, die auf die Nelfinavir-Kombination angesprochen haben.
Die Forscher schreiben, dass sie keine unerwarteten Nebenwirkungen beobachtet haben und dass die Nebenwirkungen denen von Velcade bei stark vorbehandelten Myelompatienten ähnlich waren. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten Anämie (97 Prozent der Patienten), niedrige Thrombozytenwerte (82 Prozent), Bluthochdruck (53 Prozent), Durchfall (47 Prozent), Müdigkeit (38 Prozent) und Kurzatmigkeit (35 Prozent).
Vier Patienten starben während der Studie (drei Patienten aufgrund von Blutvergiftung (Sepsis), einer aufgrund von Herzinsuffizienz). Drei dieser Fälle führten die Forscher auf zugrunde liegende Lungenentzündung zurück. Basierend auf diesen Erkenntnissen empfehlen sie die Verwendung von prophylaktischen Antibiotika für Patienten mit niedrigen weißen Blutkörperchen und fortgeschrittenem Alter, die mit der Nelfinavir-Velcade Kombination behandelt werden.
Für weitere Informationen siehe die Studie von Driessen, C. et al., "“Promising activity of nelfinavir-bortezomib-dexamethasone (NeVd) in proteasome inhibitor-refractory multiple myeloma,” in Blood, September 20, 2018 (Zusammenfassung; auf Englisch).
Informationen über die Studie und ihre Ergebnisse finden Sie auch in einer Präsentation [PDF, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Christoph Driessen; auf Englisch], die von den Schweizer Forschern für die Jahrestagung 2016 der American Society of Hematology erstellt wurde.
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