Myeloma Morning: Neue Überlebensdaten für das multiple Myelom, Pomalyst & Nieren, und MGUS
Veröffentlicht: 22. April 2016 16:27


Hallo Myelomwelt.
Wir sind immer noch dabei, die jüngste Welle an Forschungsartikeln über das multiple Myelom aufzuarbeiten und freuen uns, dass es endlich Frühling wird. Wichtiger ist jedoch, dass unsere heutige Titelgeschichte die angenehme Seite von Mutter Natur widerspiegelt.
Genauer gesagt gibt es aktualisierte Daten über das Myelomüberleben in den Vereinigten Staaten, und es sind gute Nachrichten.
Es ist nur eine jährliche Aktualisierung - ein einzelner neuer Wert für das Fünfjahresüberleben vom Zeitpunkt der Diagnose. Und er ist für Patienten, die 2008 diagnostiziert wurden – das neueste Jahr, für das umfangreiche Daten zur Verfügung stehen.
Die neueste Schätzung ist jedoch ein beträchtlicher Sprung gegenüber dem vorhergehenden Jahr und weist darauf hin, dass es wieder Steigerungen im Myelomüberleben gibt. Wir haben mehr über diese Geschichte im weiteren Verlauf unseres Artikels.
Wir haben ebenfalls eine Zusammenfassung einer Studie über den Einsatz von Pomalyst (Imnovid; Pomalidomid) und Dexamethason bei rezidivierten Myelompatienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, sowie Informationen über eine andere Studie, die das Risiko untersucht, eine monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) zu entwickeln.
Schließlich besprechen wir eine neue Myelomzelllinie, die sich ein bisschen von anderen Myelomzelllinien unterscheidet, und wir schauen auf Ergebnisse einer Studie, die die Sicherheit von JQ1 erforscht, ein Molekül, das viel Aufmerksamkeit in einigen Myelomkreisen auf sich gezogen hat.
Unsere tägliche Liste von neuen Myelomforschungsstudien befindet sich am Ende des heutigen Artikels. Sie schließt einen interessanten Artikel von italienischen Forschern ein, der in der Zeitschrift Leukemia erscheint. Wir ignorieren diesen Artikel nicht, sondern sparen die Diskussion darüber für eine andere Ausgabe des Myeloma Mornings auf.
Die neuesten Fünfjahresüberlebensdaten für das multiple Myelom
Jedes Jahr um diese Zeit aktualisiert das SEER (Surveillance, Epidemiology and End Results) Programm des US-amerikanischen National Cancer Instituts seine jährlichen Schätzungen der wichtigsten Krebsstatistiken. Die SEER-Krebsstatistiken - die für jeden verfügbar und online einsehbar sind - sind die wichtigste Sammlung der US-amerikanischen Krebsstatistiken.
Beim multiplen Myelom steht in der SEER-Datenbank besonders das Maß dessen, wie viele Myelompatienten 5 Jahre nach ihrer Diagnose überleben, unter besonderer Beobachtung. Diese Zahl begann am Anfang der 2000er Jahre zu steigen, legte dann jedoch für Patienten, die 2005, 2006, und 2007 diagnostiziert wurden (die letzten Jahre, die für die Statistik verfügbar waren), eine Pause ein.
Die meisten Myelomexperten erwarteten jedoch, dass die Pause kurz sein würde. Es wurden einfach zu viele neu Myelomtherapien zugelassen, als dass das Überleben nicht positiv davon beeinflusst werden würde.
Tatsächlich zeigen die neuesten veröffentlichten Daten jetzt den erwarteten Anstieg im Überleben. Das fünfjährige relative Überleben von Myelompatienten ist von 45,6 Prozent für diejenigen, die 2007 diagnostiziert wurden, auf 49,6 Prozent für diejenigen, die 2008 diagnostiziert wurden, angestiegen (siehe Graphik unten).
Wie bereits gesagt, betreffen die jetzt veröffentlichten Daten das relative Überleben, ein Maß des Überlebens, das um das Überlebensniveau, das für diese spezifischen Patienten auf Grundlage ihres Alters, Geschlechts, Rasse und anderer Eigenschaften zu erwarten gewesen wäre, korrigiert wurde. Wir geben weiter unten eine genauere Erklärung über den Unterschied zwischen dem relativen und absoluten Überleben.
In Bezug auf Änderungen im absoluten Überleben - der Typ des Überlebens, an den die meisten Menschen denken - zeigen die neuen Schätzungen, dass es von ungefähr 39,9 Prozent in 2007 auf 43,4 Prozent in 2008 angestiegen ist. Mit anderen Worten lebten von allen Myelompatienten, die 2008 in den Vereinigten Staaten diagnostiziert wurden, fünf Jahre später mehr als 43 Prozent.
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie das fünfjährige relative Überleben in den letzten Jahren - und in der Zukunft aussehen könnte - sollten Sie sich die Graphik von 2014 in diesem Forumeintrag (auf Englisch) anschauen. Die Grafik stammt von Dr. Leif Bergsagel, Experte an der Mayo-Klinik, aus einer Präsentation, die er auf der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie im Jahr 2014 gegeben hat.
(click on image for full-size version)
Source: Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER) program website, April 15, 2016
Pomalyst bei Myelompatienten mit eingeschränkter Nierenfunktion
Als nächstes wenden wir uns einer neuen Analyse von Daten aus der so genannten MM 003-Phase 3-Studie zu, die Pomalyst plus niedrig dosiertes Dexamethason mit hochdosiertem Dexamethason allein bei rezidivierten und refraktären Myelompatienten verglich. Die Forscher untersuchten die Wirkung und Sicherheit der Pomalyst-Dexamethason Therapie bei Myelompatienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (Volltext; auf Englisch). Eingeschränkte Nierenfunktion wurde als Kreatinin-Clearance im Bereich von mindestens 30, aber weniger als 60 ml/min zu Beginn der Studie definiert.
Die Studienautoren fanden heraus, dass Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, die Pomalyst plus niedrig dosiertes Dexamethason erhielten, ein längeres progressionsfreies Überleben hatten als diejenigen, die hochdosiertes Dexamethason erhielten (4,0 Monate gegenüber 1,9 Monaten). Wichtig ist, dass diese Zahlen fast identisch mit denjenigen für Patienten ohne Nierenfunktionsstörung sind (4,0 Monate gegenüber 2,0 Monaten).
Pomalyst plus niedrig dosiertes Dexamethason führte auch zu einem verbessertem Gesamtüberleben bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion im Vergleich zu hochdosiertem Dexamethason (10,4 Monate gegenüber 4,9 Monaten). Der Anteil an Patienten, die eine Verbesserung ihrer Nierenfunktion hatten, die als eine Steigerung der Kreatinin-Clearance von weniger als 60ml/min auf 60 oder mehr ml/min definiert wurde, war in beiden Behandlungsgruppen ähnlich (42 Prozentgegenüber 47 Prozent). Jedoch waren das mittlere progressionsfreie und Gesamtüberleben bei Patienten mit Pomalyst plus niedrig dosiertem Dex höher (6,5 Monate und 12,6 Monate) als bei Patienten, die hochdosiertes Dexamethason (3,2 Monate und 10,1 Monate) erhielten.
Die Forscher weisen darauf hin, dass die Nebenwirkungen, Dosismodifizierungen und Behandlungsabbruchraten für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und denjenigen ohne Nierenfunktionsstörung ähnlich waren.
Risikofaktoren, MGUS zu entwickeln
Forscher von der University of Pennsylvania haben kürzlich Risikofaktoren für die Entwicklung von MGUS wieder bewertet (Zusammenfassung; auf Englisch). Frühere Studien haben gezeigt, dass Übergewicht und Zuckerkrankheit (Diabetes) mit einem erhöhten MGUS-Risiko verbunden sind. Jedoch kann es den Forschern zufolge einen systematischen Fehler geben, der zu dieser Assoziation führt, da Menschen mit anderen Gesundheitsproblemen häufiger getestet werden als die Allgemeinbevölkerung. Sie haben deshalb eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt, die die Daten von 2.363 MGUS-Patienten mit denjenigen von 9.193 gesunden Menschen verglich.
Sie fanden heraus, dass es keine Assoziation zwischen Übergewicht und Zuckerkrankheit und MGUS-Risiko gibt. Als die Forscher eine zusätzliche Analyse von antidiabetischen Therapien und MGUS-Risiko durchführten, stellten sie fest, dass es ein geringeres MGUS-Risiko bei Diabetespatienten gibt, die mit Metformin behandelt wurden, als bei Menschen ohne Zuckerkrankheit. Das mit der Metformin-Einnahme verbundene, reduzierte Risiko war jedoch statistisch nicht signifikant.
Aus ihren Ergebnissen schließen die Forscher, dass, “bereits beschriebene Risikofaktoren für MGUS das Ergebnis eines systematischen Fehlers sein könnten.” Sie fügen hinzu, dass “zukünftige Studien Mechanismen untersuchen sollten, durch die Metformin gegen die Entwicklung von MGUS schützen könnte.”
Vom Myelom abgeleitete stromale Zelllinien
Viel der Laborforschung, die sich mit dem multiplen Myelom beschäftigt, beruht auf der Verwendung von Myelomzelllinien; Zelllinien das sind Sammlungen von Myelomzellen mit einem spezifischen Satz von Eigenschaften.
Die laufende Forschung weist jedoch darauf hin, dass das Knochenmark, das die Myelomzellen umgibt, eine sehr wichtige Rolle in der Entwicklung und im Fortschreiten der Erkrankung haben kann. Tatsächlich können die Zellen im umliegenden Knochenmark genauso “krank” sein wie die kranken Plasmazellen, die Myelomzellen.
Um die Optionen für die Myelom-Laborforschung zu verbessern, hat ein Team von Wissenschaftlern an der Washington University in St. Louis deswegen eine neue Zelllinie aus “Myelom-abgeleiteten stromalen Zellen”, bekannt als MSP-1, entwickelt. Die Zellen sind aus dem umliegenden Knochenmark von Myelompatienten entnommen. In einem kurzen Artikel in der Fachzeitschrift Haematologica beschreiben die Forscher die neue Zelllinie (Volltext PDF; auf Englisch).
Sicherheit von JQ1
Langjährige Leser von Myeloma Beacon können sich sicherlich an die experimentelle Substanz JQ1 erinnern. Vor mehreren Jahren gab es an einigen Stellen sehr viel Aufregung über das Potenzial von JQ1 als Myelomtherapie. Eine neue Studie von Genentech-Forschern untersuchte die Sicherheit von JQ1 in Labormäusen. Die Autoren finden, dass JQ1 bei Dosen, die wirksam sein würden, das Immunsystem deutlich unterdrückt und erheblichen Gewichtsverlust verursacht (Zusammenfassung; auf Englisch).
Neue Forschungsartikel über das multiple Myelom
- Abe, M., Miki, H., and Nakamura S., “Multiple myeloma” in Rinsho Ketsueki, April, 2016 (Zusammenfassung; auf Englisch)
- Boursi, B. et al., “Reappraisal of risk factors for monoclonal gammopathy of undetermined significance” in the American Journal of Hematology, April 13, 2016 (Zusammenfassung; auf Englisch)
- De La Puente, P. et al., “Newly established myeloma-derived stromal cell line MSP-1 supports multiple myeloma proliferation, migration, and adhesion and induces drug resistance more than normal-derived stroma” in Haematologica, April 14, 2016 (Volltext PDF; auf Englisch)
- Lee, D. U. et al., “Nonselective inhibition of the epigenetic transcriptional regulator BET induces marked lymphoid and hematopoietic toxicity in mice” in Toxicology and Applied Pharmacology, April 11, 2016 (Zusammenfassung; auf Englisch)
- Martello, M. et al., “Opposite activation of the Hedgehog pathway in CD138+ plasma cells and CD138-CD19+ B cells identifies two subgroups of patients with Multiple Myeloma and different prognosis” in Leukemia, April 14, 2016 (Zusammenfassung; auf Englisch
- Shao, J. et al., “Involvement of the arachidonic acid cytochrome P450 epoxygenase pathway in the proliferation and invasion of human multiple myeloma cells” in PeerJ, April 11, 2016 (Volltext; auf Englisch)
- Weisel, K. C. et al., “Analysis of renal impairment in MM-003, a phase 3 study of pomalidomide + low‐dose dexamethasone vs high‐dose dexamethasone in refractory or relapsed and refractory multiple myeloma” in Haematologica, April 14, 2016 (Volltext; auf Englisch)
Relatives gegenüber absolutem Überleben
(Es handelt sich um Hintergrundinformationen für diejenigen, die eine Auffrischung über das Thema relatives gegenüber absolutem Überleben brauchen.)
Die Überlebensraten, die heute vom SEER veröffentlicht wurden, werden als relative Überlebensraten bezeichnet. Diese unterscheiden sich von den Überlebensraten, die normalerweise in Myelom-Forschungsartikeln zu finden sind; es handelt sich dabei um absolute Überlebensraten.
In Myelom-Forschungsstudien findet man üblicherweise Aussagen wie "Die fünfjährige Überlebensrate betrug 60 Prozent." Diese (absolute) Überlebensrate bedeutet, dass 60 Prozent der Patienten in der Studie fünf Jahre nach ihrer Myelomdiagnose noch lebten.
Die absolute 60-Prozent-Überlebenrate stellt jedoch das Überleben der Myelompatienten nicht in die richtige Perspektive. Es sagt nicht, wie viele Myelompatienten während der letzten fünf Jahre im Vergleich zu den Leuten in der Allgemeinbevölkerung – mit demselben Alter, Geschlecht und Ethnizität - während derselben Periode gestorben wären.
Relative Überlebensraten stellen diese Perspektive zur Verfügung. Sie ziehen in Betracht, dass Leute ohne Myelom auch sterben.
Die relative Überlebensrate wird berechnet, indem man die absolute Überlebensrate für eine Gruppe von Krebspatienten durch die absolute Überlebensrate für eine ähnliche Gruppe von Leuten der Allgemeinbevölkerung dividiert.
Nehmen Sie die oben erwähnte (fiktive) Studie mit der fünfjährigen absoluten Überlebensrate von 60 Prozent als Beispiel. Nehmen Sie an, dass eine große Gruppe von Leuten, die im Alter, Geschlecht und Rasse denjenigen in der Studie ähnlich sind, jedoch aus der Allgemeinbevölkerung stammen, eine absolute Überlebensrate von 80 Prozent im Laufe derselben fünfjährigen Periode hätte.
In diesem Fall würde die relative Überlebensrate der Myelompatienten in der Studie 75 Prozent (60/80 = 0,75 oder 75 Prozent) betragen.
Absolute und relative Überlebensraten werden für jüngere Myelompatienten sehr ähnlich sein, weil jüngere Leute aus der Allgemeinbevölkerung nicht so häufig sterben. Die relativen Überlebensraten für ältere Myelompatienten werden andererseits höher sein als ihre entsprechenden absoluten Überlebensraten.
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