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Experten veröffentlichen Konsensuspapier über die Erhaltungstherapie beim multiplem Myelom

Kein Kommentar Von and ; Übersetzt von Sabine Schock
Veröffentlicht: 10. Februar 2012 01:36
Experten veröffentlichen Konsensuspapier über die Erhaltungstherapie beim multiplem Myelom

Eine Gruppe von Myelomexperten der Internationalen Myelom Arbeitsgruppe veröffentlichte kürzlich ein Konsensuspapier über die Erhaltungstherapie bei Myelompatienten.

In ihrer Stellungnahme prüften die Experten die wichtigsten Ergebnisse von bisher veröffentlichten,  klinischen Studien nach, die den Einfluss von Erhaltungstherapien mit den neuen Substanzen Thalidomid, Revlimid (Lenalidomid) und Velcade (Bortezomib) untersuchten.

Die Erhaltungstherapie ist eine Form der Behandlung, die Myelompatienten nach ihrer anfänglichen Therapie über einen längeren Zeitraum, häufig in niedriger Dosierung, erhalten. Die Absicht der Erhaltungstherapie ist, einen Krankheitsfortschritt so lange wie möglich unter Aufrechterhaltung einer guten Lebensqualität zu verhindern. Die Erhaltungstherapie unterscheidet sich von der Konsolidierungstherapie, die gewöhnlich kürzer mit der Absicht gegeben wird, das Ansprechen der Patienten nach initialer Therapie zu vertiefen.

Aufgrund dieser Ergebnisse kamen die Experten zu den folgenden Beschlüssen für Myelompatienten, die über eine Erhaltungstherapie nachdenken:

Die Experten konnten sich nicht über die Anwendung von Revlimid als Erhaltungstherapie einigen. Die Revlimid Erhaltung verlängerte das progressionsfreie Überleben bei jüngeren Patienten, was laut einigen Experten für den Einsatz der Revlimid Erhaltung spricht. Jedoch ist die Revlimid Erhaltungstherapie auch mit einem erhöhten Risiko an sekundären Malignomen verbunden. Das darf einigen Experten zufolge nicht vernachlässigt werden, wenn man sich für den Einsatz einer Revlimid Erhaltungstherapie entscheiden will. Die Experten sagten deshalb, dass längerfristige Überlebensdaten erforderlich sind, bevor sie eine Empfehlung für oder gegen die Revlimid Erhaltungstherapie geben können.

Die Experten stellten fest, dass die Thalidomid-Erhaltungstherapie eine Behandlungsoption für jüngere Patienten nach Stammzelltransplantation ist, da die Thalidomid Erhaltung mit einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens verbunden ist. Für ältere Patienten, die nicht Kandidaten für eine Stammzelltransplantation sind, ist der Einsatz der Thalidomid Erhaltung weniger klar, weil Studienergebnisse in dieser Patientenpopulation gemischt waren.

Laut Experten gibt es zurzeit nicht genug Studien,  um spezifische Empfehlungen für oder gegen eine Velcade-Erhaltungstherapie zu geben.

Darüber hinaus sprachen sich die Experten gegen eine Erhaltungstherapie mit Interferon oder Cortison aus.

Revlimid

Zusammenfassung:

Die Experten stellten fest, dass die Revlimid Erhaltungstherapie mit einer deutlichen Verlängerung des progressionsfreien Überlebens sowohl bei jüngeren Patienten, die eine Stammzelltransplantation erhalten hatten, als auch bei älteren Patienten mit herkömmlicher Chemotherapie verbunden ist. Die Ergebnisse einer Studie zeigten auch einen bedeutenden Überlebensvorteil mit der Revlimid Erhaltungstherapie. Die Experten wiesen jedoch darauf hin, dass Myelompatienten mit risikoreichen chromosomalen Abnormitäten von der Revlimid-Erhaltungstherapie nicht profitieren.

Die Experten wiesen darauf hin, dass die Revlimid-Erhaltungstherapie mit einem vergrößerten Risiko an sekundären Malignomen verbunden sein kann (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon). Sie empfahlen, dass Ärzte das bedenken sollten, bevor sie entscheiden, ob man eine Revlimid Erhaltung verschreibt.

Wenn die Entscheidung für eine Revlimid-Erhaltungstherapie gefallen ist, empfahlen die Experten eine Startdosis von 10 mg pro Tag sowohl für jüngere als auch für ältere Standardrisikopatienten. Sie fügten hinzu, dass sowohl eine kontinuierliche Therapie als auch eine Dosierung "drei Wochen nehmen, eine Woche aussetzen" wirksam sein kann.

Zusatzinformation:

Ergebnisse von zwei klinischen Studien, die der USA-CALGB 100104 Studie und der französischen IFM 2005-02 Studie, weisen darauf hin, dass die Revlimid Erhaltung bei jüngeren Myelompatienten mit Standardrisiko wirksam sein kann, die eine Stammzelltransplantation erhalten haben (siehe auch  verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon).

Ergebnisse der CALGB 100104 Studie zeigen, dass nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 28 Monaten die mittlere Zeit bis zu einem Krankheitsprogress für Patienten, die eine Revlimid Erhaltung erhielten, deutlich länger war als für Patienten, die ein Placebo erhielten (48 Monate gegenüber 31 Monate).

Patienten, die die Revlimid Erhaltung erhielten, hatten auch ein deutlich längeres ereignisfreies Überleben als Patienten, die ein Placebo bekamen (42 Monate gegenüber 22 Monate).

Jedoch wurden bei diesen Patienten auch mehr Fälle von niedrigen Leukozytenzahlen, niedrigen Erythrozytenzahlen, niedrigen Thrombozytenzahlen und Infektionen verzeichnet.

Die Ergebnisse der IFM 2005-02 Studie zeigten, dass nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten das mittlere progressionsfreie Überleben bei Patienten, die die Revlimid Erhaltung erhielten, deutlich länger war (41 Monate gegen 24 Monate). Jedoch waren das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben bei Patienten kürzer, die risikoreiche chromosomale Abnormitäten hatten.

Laut den Autoren der Rezension führten sowohl die CALGB 100104 Studie als auch die IFM 2005-02 Studie zu dem wichtigen Ergebnis, dass unter Patienten, die Revlimid Erhaltung erhielten, ein vermehrtes Auftreten von sekundären Malignomen zu beobachten war.

Im letzten Jahr begannen sowohl die amerikanische Bundesbehörde zur Überwachung von Nahrungs- und Arzneimitteln (FDA) als auch die europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) nach Monaten der Diskussionen über die offenkundige Zunahme von sekundären Malignomen unter Myelompatienten, die die Revlimid Erhaltung erhalten hatten, Sicherheitsüberprüfungen von Revlimid. Die EMA kam zu dem Schluss, dass die Vorteile von Revlimid weiterhin seine Gefahren überwiegen. Jedoch empfahl die Agentur auch, dass die Arzneimittelinformation für Revlimid mit einer Warnung über das Risiko von Zweitmalignomen aktualisiert wird (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon). Die FDA Untersuchung dauert noch an.

Die Experten kommentierten, dass weitere Studien erforderlich sind, um die wahre Risiko von sekundären Malignomen zu bewerten, Risikofaktoren zu identifizieren und Strategien für ihre Verhinderung bei Myelompatienten zu entwickeln.  Den Experten zufolge "müssen Ärzte und Patienten die Vorteile der Revlimid Erhaltungstherapie gegen das niedrige, aber relevante Risiko von sekundären Malignomen abwiegen."

Zusätzlich zu den CALGB 100104 und IFM 2005-02 Studien zeigten Ergebnisse einer italienischen Studie, dass die Revlimid Erhaltung auch das progressionsfreie Überleben von älteren Myelompatienten verlängert, die mit herkömmlicher Chemotherapie behandelt worden sind (31 Monate gegenüber 13 Monate).

Thalidomid

Zusammenfassung:

Die Experten stellten fest , dass die Thalidomid-Erhaltung nach Stammzelltransplantation das progressionsfreie Überleben und, zu einem kleineren Grad, das Gesamtüberleben verlängern kann. Jedoch wiesen sie darauf hin, dass Patienten mit risikoreichen chromosomalen Abnormitäten keinen Nutzen aus der Thalidomid-Erhaltung zogen.

Die Experten fügten hinzu, dass die niedrigste aktive Dosis des Thalidomids 50 mg pro Tag ist und dass die Dauer der Thalidomid-Therapie auf ein Jahr begrenzt werden sollte, um das Risiko von schweren Nebenwirkungen zu beschränken.

Für ältere Patienten, die nicht Kandidaten für eine Stammzelltransplantation sind, wiesen die Experten darauf hin, dass der Gebrauch der Thalidomid-Erhaltung weniger klar ist, weil die Studienergebnisse in dieser Patientengruppe unterschiedlich ausgefallen waren.

Zusatzinformation:

Studien der Thalidomid-Erhaltungstherapie sind in erster Linie mit jüngeren Patienten durchgeführt worden, die eine Stammzelltransplantation erhalten haben.

In einer kleinen Zahl von klinischen Studien, die den Einfluss der Thalidomid-Erhaltung bei älteren Patienten untersucht hatte, hatte schätzungsweise die Hälfte der Patienten Thalidomid während ihrer initialen Therapie erhalten. Ergebnisse dieser Studien zeigten eine deutliche Verlängerung im progressionsfreien Überleben, aber nicht beim Gesamtüberleben bei älteren Patienten, die eine Thalidomid-Erhaltung bekommen hatten(siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon).

Jedoch konnten die Experten nicht bestätigen, ob ältere Patienten, die initial kein Thalidomid  erhalten hatten, mehr von einer Thalidomid-Erhaltung profitieren würden als Patienten, die vorher Thalidomid erhalten hatten.

Sie erklären,  dass die Thalidomid-Erhaltung eine wertvolle Option bei älteren Standardrisikopatienten sein könnte, obwohl ältere Patienten das Thalidomid nicht so gut wie jüngere Patienten vertragen.

Laut der Experten haben die meisten klinischen Studien gezeigt, dass die Thalidomid-Erhaltung das Ansprechen verbessert und das progressionsfreie Überleben von jüngeren Myelompatienten verlängert. Zusätzlich zeigen diese Studien, dass das Risiko für den Krankheitsprogress bei Patienten, die Thalidomid sowohl während ihrer Erhaltung als auch während ihrer initialen Therapie erhalten haben, ähnlich ist wie bei  Patienten, die Thalidomid nur während ihrer Erhaltungsphase einnahmen.

Jedoch ist der Einfluss der Thalidomid-Erhaltung auf die Gesamtüberlebensraten sind nicht so klar. Während einige Studien zeigen, dass die Thalidomid-Erhaltung das Gesamtüberleben verlängert, haben andere Studien gezeigt, dass die Thalidomid-Erhaltung nicht mit einem Gesamtüberlebensvorteil verbunden ist (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon).

Deshalb sagten die Experten, dass das verbesserte Gesamtüberleben, das mit der Thalidomid-Erhaltung in einigen Studien verbunden ist, mit Vorsicht interpretiert werden muss.

Sie spekulierten, dass die beste Erklärung für den Unterschied in den Gesamtüberlebensraten in den  Studien der Einschluss von älteren Patienten in einige der Thalidomid-Erhaltungsstudien ist, die keine Verbesserung im Gesamtüberleben zeigten. Außerdem kommentierten sie, dass Unterschiede in der Verfügbarkeit von neuen Substanzen beim Rezidiv in den  Studien auch zu den unterschiedlichen Gesamtüberlebensraten von Myelompatienten beigetragen haben können, die die Thalidomid-Erhaltung erhalten haben.

Darüber hinaus weisen die Ergebnisse von mehreren klinischen Studien darauf hin, dass Patienten ohne risikoreiche chromosomale Abnormitäten mit größerer Wahrscheinlichkeit von der Thalidomid-Erhaltung profitieren als Patienten mit risikoreichen Faktoren.

Zum Beispiel hatten in der MRC Myeloma IX Studie Myelompatienten mit Thalidomid-Erhaltung ohne risikoreiche chromosomale Abnormitäten ein bedeutsam besseres Gesamtüberleben als Patienten, die chromosomale Abnormitäten hatten.

Velcade

Zusammenfassung:

Die Experten bestätigten, dass spezifische Empfehlungen für die Velcade-Erhaltungstherapie zurzeit nicht gemacht werden können, weil mehr Informationen bezüglich des optimalen Einsatzes, der Dosierung und der Dauer der Velcade Erhaltung erforderlich sind.

Sie schlugen vor, dass weitere Studien mit Patienten durchgeführt werden, die noch kein Velcade erhalten haben, um diese Fragen zu klären.

Zusatzinformation:

Den Experten zufolge sind Erhaltungstherapien mit Velcade allein bisher nur bei Myelompatienten untersucht worden, die Velcade bereits während ihrer initialen Therapie bekommen hatten.

Zum Beispiel verglich die HOVON/GMMG Studie die Wirksamkeit einer initialen Velcade-Doxorubicin (Adriamycin)-Dexamethason Therapie, gefolgt von einer  Velcade Erhaltung (PAD/Velcade) mit einer initialen Vincristin-Doxorubicin-Dexamethason Therapie gefolgt ist von einer  Thalidomid-Erhaltung (VAD/Thalidomid).

Nach 36 Monaten hatten Patienten, die PAD/Velcade erhielten, ein deutlich besseres progressionsfreies Überleben (78 Prozent gegenüber 48 Prozent) und Gesamtüberleben (71 Prozent gegenüber 42 Prozent) im Vergleich zu Patienten, die VAD/Thalidomid erhielten.

Obwohl die Ergebnisse der HOVON/GMMG Studie zeigen, dass eine Velcade Erhaltungstherapie bis zu zwei Jahren vertragen werden kann, behaupten die Experten, dass das Design der Studie eine klare Interpretation der Rolle der Velcade Erhaltungstherapie nicht ermöglicht, weil die Patienten verschiedene initiale Therapien erhielten.

Andere Studien haben den Einfluss der Velcade Erhaltung in der Kombination mit Thalidomid bewertet. Zwei dieser Studien zeigen, dass Velcade plus Thalidomid das progressionsfreie Überleben  verbessert, wenn es als Erhaltungstherapie eingesetzt wird.

Chemotherapie, Interferon und Kortikosteroide

Zusammenfassung:

Die Ergebnisse von vorhergehenden klinischen Studien haben darauf hingewiesen, dass eine herkömmliche Chemotherapie - Melphalan (Alkeran) oder BCNU (Carmustin), normalerweise in Kombination mit Prednison - die Dauer der Remission bei Myelompatienten verlängert, die initial mit Melphalan plus Prednison behandelt wurden. Jedoch wiesen die Experten darauf hin, dass die Anwendung der Chemotherapie in der Erhaltung nicht weiter verfolgt wurde, als festgestellt wurde, dass die Chemotherapie das Gesamtüberleben nicht verbessert.

Auch Interferon hat die Dauer der Remission bei Myelompatienten verlängert, obwohl die Studienergebnisse unterschiedlich sind. Den Experten zufolge haben Ärzte den Einsatz von Interferon in Erhaltungstherapien wegen der Toxizität und der Schwierigkeit, diejenigen Patienten auszuwählen, die wahrscheinlich von der Interferontherapie profitieren werden.

Die Studienergebnisse für Kortikosteroide wie Prednison und Dexamethason fielen ebenfalls gemischt aus. Während man bei Prednison zeigen konnte, dass es die Remissionsdauer und das Überleben verlängert,  konnte man dies für Dexamethason nicht zeigen. Zusammenfassend stellten die Experten fest, dass die gegenwärtigen Daten ungenügend sind, um eine Kortikosteroid-Erhaltungstherapie bei Myelompatienten zu empfehlen.

Für weitere Informationen kann man das IMW Konsensus Papier in der Zeitschrift Blood nachlesen.

Photo by Lee Nachtigal on Flickr – some rights reserved.
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