Myeloma Morning: Allogene Stammzelltransplantantion in Europa
Veröffentlicht: 16. Mai 2016 16:39


Einen schönen Samstag, liebe Myelomwelt.
Wir hoffen, dass Ihr Wochenende gut begonnen hat.
Die heutige Ausgabe von Myeloma Morning konzentriert sich in erster Linie auf eine Studie, die in der gestrigen Liste neuer Forschungsartikel über das multiple Myelom stand. Die Studie fasst Trends bei allogenen (Spender) Stammzelltransplanationen in Europa im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte zusammen.
Obwohl sich die Studie auf europäische Länder konzentriert, glauben wir, dass sie für die Leser von Myeloma Beacon von Interesse sein sollte, egal wo sie sich befinden. Mit dem globalen Informationsaustausch über das multiple Myelom kann man die Trends in Europa nicht isoliert sehen. Sie reflektieren und beeinflussen Trends anderswo.
Lesen Sie auch den Abschnitt "Kurz notiert" am Ende des heutigen Berichts. Dieser beinhaltet kurze Beschreibungen von drei, in die heutige Liste aufgenommenen, neuen Studien über das multiple Myelom. Wir werden über eine dieser Studien ausführlicher in den kommenden Tagen berichten.
Allogene Stammzelltransplantationen in Europa seit 1990
Eine Gruppe von europäischen Forschern hat eine Studie veröffentlicht, die Trends bei der allogenen (Spender-) Transplantation für das multiple Myelom in Europa seit 1990 zusammenfasst (Zusammenfassung, auf Englisch).
Die Forscher haben Daten von 7,333 Myelompatienten analysiert, die zwischen Januar 1990 und Dezember 2012 eine allogene Transplantation erhielten und deren Daten bei der europäischen Gesellschaft für Blut- und Knochenmarkstransplantation (EBMT) registriert wurden. Das mittlere Alter der Patienten zur Zeit ihrer allogenen Transplantation betrug 51 Jahre.
Für ihre Analyse haben die Forscher die Patienten in drei Gruppen eingeteilt, die sich im Zeitpunkt der Transplantation unterscheiden:
- Gruppe 1 schloss 1,924 Patienten ein, die direkt nach der Induktionstherapie eine allogene Transplantation erhielten
- Gruppe 2 umfasste 2,004 Patienten, die eine allogeneTransplantation als einen Teil einer autologen-allogenen Tandem-Transplantation erhielten, mit einem maximalen Zeitraum von 8 Monaten zwischen der auto und der allo Transplantation
- Gruppe 3 schloss 3,405 Patienten ein, die eine allogeneTransplantation zu einem späteren Zeitpunkt erhielten, nach ein, zwei oder drei autologen Transplantationen mit mindestens 8 Monaten zwischen der ersten autologen und der allogenen Transplantation; in dieser Gruppe wurde die allogene Transplantation hauptsächlich als Zweitlinientherapie und darüber hinaus durchgeführt.
Alle drei Gruppen wurden je nach Zeitpunkt der Transplantation in jeweils zwei weitere Gruppen unterteilt: diejenigen, die ihre allogene Transplantation vor 2004, und diejenigen, die sie nach 2004 erhielten. Die Forscher wählten dieses Datum, weil ab dieser Zeit neue Myelomtherapien in Europa eingeführt wurden.
Zum Zeitpunkt der Datenanalyse lebten 3,140 Patienten noch nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten nach dem Datum der Transplantation.
Änderungen bei den allogenen Transplantationsempfängern
Insgesamt beobachteten die Forscher einen kontinuierlichen Anstieg der allogenen Transplantationen; im Jahr 2012 wurden die meisten Transplantationen durchgeführt.
Jedoch gab es im Laufe der Zeit eine deutliche Verschiebung bezüglich der Patienten, die allogene Transplantationen erhielten.
Vor dem Jahr 2000 wurden die meisten allogenen Transplantationen bei europäischen Myelompatienten zu Beginn der Behandlung durchgeführt. Die Zahl dieser Transplantationen sank jedoch in absoluten Zahlen nach dem Jahr 2000 und war 2012 nur 12 Prozent aller 2012 durchgeführten allogenen Transplantationen.
Die meisten allogenen Transplantationen als Teil einer Tandem-Transplantation wurden 2004 durchgeführt; 2012 betrug die Anzahl solcher Transplantationen 19 Prozent aller allogenen Transplantationen für das multiple Myelom in Europa.
Der Einsatz der allogenen Transplantation zu einem späteren Zeitpunkt in der Behandlung eines Patienten ist das dominierende Timing der allogenen Transplantation am Ende des von der Studie abgedeckten Zeitraumes und erreichte 2012 fast 70 Prozent.
Unterschiede bei den allogenen Transplantationen in den einzelnen Ländern
Die Forscher fanden heraus, dass die Verteilung der allogenen Transplantation über die drei Patientengruppen in den einzelnen Ländern in Europa sehr unterschiedlich ausfiel. In den letzten Jahren war Deutschland zum Beispiel das einzige grössere Land, in dem ein beachtlicher Anteil an Patienten die Tandem auto-allo Transplantation erhielt. In den meisten Ländern, mit Ausnahme von Großbritannien und Deutschland, sind die allogenen Transplantationen normalerweise für die dritte Patientengruppe vorbehalten, die nach anderen Therapien rezidivieren.
Die Autoren schreiben diese Unterschiede in den Ländern sowohl möglichen Unterschieden im Gesundheitssystem als auch Unterschieden bei den Richtlinien der nationalen Myelom-Arbeitsgruppen (wie der IFM in Frankreich, HOVON in den Niederlanden und der GMMG in Deutschland) zu.
Ansprechstatus zum Zeitpunkt der Transplantation, Konditionierung und Stammzellquelle
Der Ansprechstatus zum Zeitpunkt der Transplantation war für 93 Prozent der Patienten verfügbar. Von den Patienten, die ihre allogene Transplantation nach 2004 erhielten, hatten 26 Prozent der Patienten in Gruppe 1, 29 Prozent in Gruppe 2 und 27 Prozent in Gruppe 3 mindestens eine sehr gute teilweise Remission (VGPR) zum Zeitpunkt ihrer allogenen Transplantation erreicht. Diese VGPR-Raten erscheinen nicht sehr hoch, aber sie sind deutlich höher als vor 2004, als die Raten gerade mal 14 Prozent in Gruppe 1, 17 Prozent in Gruppe 2 und 9 Prozent in Gruppe 3 betrugen.
In den ersten Jahren des von der Studie abgedeckten Zeitraumes war die myeloablative Konditionierung die einzige Methode der Konditionierung. Um das Jahr 2000 gab es jedoch eine dramatische Verschiebung in Richtung der Konditionierung mit reduzierter Intensität. Die Autoren glauben, dass dies den Einsatz der allogenen Transplantation bei älteren und weniger körperlich fitten Patienten vergrößerte. Im Jahr 2012 wurde die Konditionierung mit reduzierter Intensität bei zwei Dritteln aller allogenen Transplantationen in der europäischen Datenbank verwendet.
Die Forscher beobachteten eine ähnliche Verschiebung im Laufe der Studie hinsichtlich der Stammzellspender. In den frühen Jahren stammten die Stammzellen nur von verwandten Spendern. In den letzten Jahren hat der Einsatz von Stammzellen von nicht-verwandten Spendern stark zugenommen und erreichte 2012 56 Prozent.
Verbesserungen im Überleben und der Transplantationssicherheit
Die Forscher stellten hinsichtlich des Gesamtüberlebens vom Zeitpunkt der allogenen Transplantation fest, dass dieses nach 2004 gegenüber vor 2004 anstieg. Das mittlere Gesamtüberleben stieg von 29 Monaten vor 2004 auf 40 Monate nach 2004 bei Patienten, die die allogene Transplantation als Teil ihrer Erstbehandlung erhielten. In der Tandem auto-allo Transplantationsgruppe stieg der Wert von 63 Monaten auf 70 Monate und bei Patienten, die die Transplantation später erhielten, von 16 Monaten auf 26 Monate.
Das progressionsfreie Überleben verbesserte sich nach 2004 in der auto-allo Transplantationsgruppe und der spät transplantierten Transplantationsgruppe deutlich, von 20 Monaten auf 24 Monate und von 7 Monaten auf 11 Monate in den beiden Gruppen. Die Forscher schreiben diesen Anstieg der Einführung neuer Substanzen für die Behandlung des multiplen Myeloms zu. Der Unterschied im progressionsfreien Überleben in der ersten Transplantationsgruppe war jedoch nicht statistisch signifikant und änderte sich nur von 14 Monaten auf 16 Monate.
Die nicht-Rezidiv-assoziierte Mortalität (ein Maß dessen, wie gefährlich eine Behandlung ist) verringerte sich nach dem Jahr 2004 im Vergleich zu vor 2004 in der ersten Transplantationsgruppe (von 36 Prozent auf 30 Prozent drei Jahre nach Transplantation) und der dritten Transplantationsgruppe (von 35 Prozent auf 29 Prozent). Jedoch blieb sie mit 19 Prozent in den beiden Zeitabschnitten für die Tandem auto-allo Transplantationsgruppe ähnlich.
Kurz notiert
Es gibt drei Studien in unserer Liste neuer Forschungsartikel, die wir hervorheben wollen, bevor wir den Artikel beenden.
Erstens gibt es eine wichtige Studie, die in der Zeitschrift Blood von Forschern vom Dana-Farber Cancer Center in Boston veröffentlicht wurde. Es betrifft die Rolle des “B-Zellreifungsantigen” (BCMA) und den dazugehörigen Molekülen in der Vermehrung des multiplen Myeloms und der Behandlungsresistenz der Erkrankung (Zusammenfassung, auf Englisch). Wir werden auf diesen Artikel in einer kommenden Ausgabe des Myeloma Morning ausführlicher eingehen.
Zweitens fand eine Studie von Forschern in Frankreich, dass das PET/CT mit dem 18F-fluorocholine (FCH) Tracer besser in der Erkennung eines Rezidivs oder einer Progression bei Myelompatienten ist als der Standard 18F-fluorodeoxyglucose (FDG) Tracer (Zusammenfassung, auf Englisch). Regelmäßige Leser des Myeloma Morning können sich vielleicht an einen Artikel über den potenziellen Werts anderer Tracer für das PET/CT für die Myelomdiagnostik in einer vorherigen Ausgabe dieses Berichtes erinnern.
Schließlich haben deutsche Forscher eine Meta-Analyse klinischer Studienergebnisse veröffentlicht, in denen die Teilnehmer ein neu diagnostiziertes Myelom hatten und für eine Stammzelltransplantation ungeeignet waren. Die Analyse zeigt, dass die Behandlung transplantationsungeeigneter Patienten mit der Kombination Revlimid (Lenalidomid) und Dexamethason zu höheren Überlebensraten als andere Behandlungen führt, die allgemein bei solchen Patienten verwendet werden (Volltext, auf Englisch).
Neue Forschungsartikel über das multiple Myelom
- Cassou-Mounat, T. et al., “18F-fluorocholine versus 18F-fluorodeoxyglucose for PET/CT imaging in patients with suspected relapsing or progressive multiple myeloma: a pilot study” in the European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging, April 28, 2016 (Zusammenfassung, auf Englisch)
- Ganai, S. A., “Histone deacetylase inhibitor givinostat: the small-molecule with promising activity against therapeutically challenging haematological malignancies” in the Journal of Chemotherapy, April 28, 2016 (Zusammenfassung, auf Englisch)
- Kitahata, S. et al., “Design, synthesis, and biological activity of isosyringolin A” in Organic Letters, April 28, 2016 (Zusammenfassung, auf Englisch)
- Tai, Y. T. et al., “APRIL and BCMA promote human multiple myeloma growth, chemoresistance, and immunosuppression in the bone marrow microenvironment” in Blood, April 28, 2016 (Zusammenfassung, auf Englisch)
- Vanstechelman, S., Vantilborgh, A. & Lemmens, G. “Dexamethasone-induced catatonia in a patient with multiple myeloma” in Acta Clinica Belgica, April 28, 2016 (Zusammenfassung, auf Englisch)
- Weisel, K. et al., “A systematic literature review and network meta-analysis of treatments for patients with untreated multiple myeloma not eligible for stem cell transplantation” in Leukemia & Lymphoma, April 28, 2016 (Volltext, auf Englisch)
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