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Zusätzliche Behandlung zur Vertiefung des Ansprechens vor Transplantation verbessert das Überleben bei neu diagnostiziertem multiplem Myelom nicht

Kein Kommentar Von and ; Übersetzt von Sabine Schock
Veröffentlicht: 8. April 2015 09:51
Zusätzliche Behandlung zur Vertiefung des Ansprechens vor Transplantation verbessert das Überleben bei neu diagnostiziertem multiplem Myelom nicht

Eine kürzlich veröffentlichte Studie könnte die Ziele ändern, die Myelomspezialisten bei der Behandlungs-entscheidung für neu diagnostizierte Myelompatienten, die eine Stammzelltransplantation erhalten, verwenden.

Die Studie hat möglicherweise auch breitere Implikationen. Tatsächlich kann sie die laufende Debatte über die grundsätzliche Kontroverse beeinflussen, wie das multiple Myelom generell behandelt werden sollte.

Die Autoren der neuen Studie werteten Daten von 539 Myelompatienten aus, die nicht einmal eine teilweise Remission auf ihre initiale (Induktions-) Therapie nach der Diagnose erreichten.

Nachdem ihre initiale Behandlung gescheitert war, erhielten einige der 539 Patienten eine Stammzelltransplantation ohne weitere Behandlung. Der Rest der Patienten erhielt vor der Stammzelltransplantation eine zusätzliche Behandlung mit anderen Myelommedikamenten.

Wie erwartet führte die zusätzliche, von einigen Patienten vor ihrer Transplantation erhaltene Therapie dazu, dass diese Patienten tiefere Remissionen vor und nach ihrer Transplantation hatten als die Patienten, die die Transplantation gleich nach ihrer Erstbehandlung erhielten.

Als die Autoren das Überleben der beiden Patientengruppen verglichen, fanden sie jedoch keinen Unterschied. Das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben für beide Gruppen waren praktisch dasselbe.

Mit anderen Worten brachten die zusätzlichen Behandlungen zur Vertiefung der Remissionen den Patienten in dieser Studie keinen Überlebensvorteil.

Die Autoren der Studie folgern, dass diese Ergebnisse “zeigen, dass transplantationsgeeignete Patienten, die suboptimal auf ihre initiale Induktionstherapie ansprechen, zu [ihren geplanten Transplantationen] fortschreiten sollten, statt zusätzliche … Therapien zu erhalten, um das Remissionsniveau zu vertiefen.”

Die Zusammenfassung der Studienergebnisse wird von Dr. David Vesole und Dr. David Siegel vom John Theurer Cancer Center in Hackensack, New Jersey, in einem Kommentar, der die neue Studie begleitet, unterstützt. Die beiden Myelomexperten schreiben, dass die Studie deutlich macht, dass “die zusätzliche Belastung der Patienten mit weiteren Zyklen Chemotherapie vor einer Stammzelltransplantation nicht weiter verfolgt werden sollte.“

Dieser Behandlungsansatz für Myelompatienten unterscheidet sich von vielen Strategien, die Myelomexperten heutzutage mit dem Ziel anwenden, eine bestimmte Remissionstiefe vor der Transplantationsbehandlung zu erreichen.

Breitere Implikationen der Studie

Es gibt möglicherweise auch breitere Implikationen der neuen Studie, weil sie Probleme berührt, die mit einer Kernfrage verbunden sind, der Myelomexperten und Patienten heutzutage gegenüberstehen: Soll das Erreichen der tiefst möglichen Remission ein Ziel sein, wenn es um die Behandlung des multiplen Myeloms geht?

Viele glauben, dass die Antwort auf diese Frage ein klares “Ja” ist. Als Beweise für diese Position weisen die Unterstützer auf Studien hin, die gezeigt haben, dass Myelompatienten, die eine tiefe Remission nach ihrer Behandlung erreichen, länger leben, als Patienten, die dies nicht tun.

Diejenigen, die meinen, dass die Antwort auf die Frage nicht immer “Ja” - oder sogar ein klares “Nein” – ist, behaupten, dass die Beweise für die “Ja”-Position fehlerhaft sind. Sie glauben, dass in vielen Fällen diejenigen Patienten, die länger leben, eine tiefere Remission erreichen, weil ihre Krankheit weniger aggressiv ist als die Krankheit, die bei den Patienten gefunden wird , die nicht so tief auf die Behandlung ansprechen.

Die Remissionstiefe, argumentieren die Unterstützer der Nein-Position, ist nicht die Ursache des längeren Überlebens. Stattdessen ist es ein Zeichen dafür, wie gut die Krankheit eines Patienten auf die Behandlung anspricht.

Die Antwort auf die Frage, ob das Ziel der Myelomtherapie eine tiefe Remission sein sollte, hat wichtige Konsequenzen. Wenn es das Ziel sein sollte, dann müssten für viele Patienten die Therapiekonzepte wahrscheinlich mehr Medikamente enthalten und länger dauern als es zurzeit der Fall ist. Das Argument für diese Änderungen wäre, dass dadurch mehr Patienten eine tiefe Remission erreichen und sich dadurch die Gesamtüberlebenszeiten verbessern.

Die Antwort auf die „Remissionstiefe-als-Ziel“ Frage beeinflusst auch Themen wie Transplantation, Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie, bei denen eins der Ziele in der Vertiefung der Remission besteht.

Ein wichtiger Grund dafür, dass es Meinungsverschiedenheiten über die Remissionstiefe als Ziel der Myelomtherapie gibt, besteht darin, dass es nur wenige Studien gibt, die das Problem direkt angegangen haben und Beweise zur Verfügung stellen.

Darin liegt die potenziell breitere Bedeutung der neuen Studie. In einem beschränkten - aber dennoch wichtigen - Zusammenhang zeigt sie, dass das Erreichen einer tieferen Remission nach einer Behandlung den Patienten keinen zusätzlichen Überlebensvorteil zur Verfügung stellt.

Es stimmt, es gibt Beschränkungen, wie viel man aus der neuen Studie tatsächlich schließen kann. Es handelt sich um eine retrospektive Studie, bei der die Patienten unterschiedliche Therapien mit unterschiedlicher Zeitdauer erhielten. Außerdem kann man nicht sicher wissen, warum einigen Patienten eine zusätzliche Therapie vor ihrer Transplantation erhielten und andere nicht.

Genauso wichtig ist, dass alle Patienten in der Studie eine Stammzelltransplantation erhielten. Das ist ein Grund, warum sich die Autoren der Studie - sowie die Autoren des Kommentars, der den Zeitschriftenartikel begleitet - auf die Implikationen der Studie für die Pre-Transplantationsbehandlung konzentrieren.

Dennoch muss man trotz der Schwächen der Studie und der beschränkten Aussage, die die Autoren über die Implikationen machen, einsehen , dass die Studienergebnisse Munition für diejenigen liefern, die gegen die Remissionstiefe als ein universales Ziel während der Myelomtherapie argumentieren.

Studiendesign

Die Autoren der neuen Studie haben Daten von 539 neu diagnostizierten Myelompatienten von der Datenbank des Centers for International Blood and Marrow Transplant Research benutzt. Die Patienten wurden an mehr als 80 verschiedenen Behandlungszentren behandelt, von denen laut Dr. Parameswaran Hari von der Medizinischen Universität Wisconsins, einem der Autoren der Studie, ungefähr 95 Prozent in den Vereinigten Staaten liegen.

Um in die Studie eingeschlossen zu werden, mussten die Patienten eine Stammzelltransplantation zwischen 1995 und 2010 erhalten haben und die Transplantationen mussten innerhalb von 12 Monaten nach der Diagnose des Patienten durchgeführt worden sein.

Außerdem - und das ist sehr wichtig - konnten Patienten nur in die Studie eingeschlossen werden, wenn sie auf ihre initiale Myelombehandlung keine mindestens teilweise Remission erreichten.

Die Forscher teilten die 539 Patienten in der Studie in zwei Gruppen ein: Diejenigen, die eine zusätzliche Behandlung vor ihrer Transplantation (324 Patienten) erhielten, und diejenigen, die keine zusätzliche Behandlung erhielten und direkt zur Transplantation (214 Patienten) übergingen.

Das mittlere Alter zur Zeit der Stammzelltransplantation betrug 57 Jahre für Patienten, die eine zusätzliche Behandlung vor Transplantation erhielten, und 56 Jahre für Patienten, die keine zusätzliche Behandlung vor der Transplantation erhielten. Fast 50 Prozent der Patienten in beiden Gruppen hatten ein Myelom im Stadium 3 bei Diagnosestellung.

Die Mehrheit der Patienten erhielt Vincristin, Doxorubicin (Adriamycin) und Dexamethason (VAD) als initiale Behandlung; 60 Prozent der Patienten, die keine zusätzliche Behandlung erhielten, bekamen VAD als initiale Therapie im Vergleich zu 47 Prozent der Patienten, die eine zusätzliche Behandlung erhielten.

Fast alle Patienten, die kein VAD als initiale Therapie erhielten, wurden mit einer Kombination behandelt, die eine neue Substanz, wie Thalidomid, Velcade (Bortezomib) oder Revlimid (Lenalidomid) einschloss. Das war bei 32 Prozent der Patienten der Fall, die eine zusätzliche Behandlung vor ihrer Transplantation erhielten, und bei 39 Prozent der Patienten ohne zusätzliche Behandlung.

Von den Patienten, die vor der Stammzelltransplantation eine zusätzliche Behandlung erhielten, erhielt die Mehrheit (76 Prozent) eine zusätzliche Therapie, 20 Prozent erhielten zwei zusätzliche Therapien und 4 Prozent drei oder mehr zusätzliche Therapien.

Mehr Patienten, die eine zusätzliche Behandlung erhielten (55 Prozent), hatten ihre Transplantationen während der späteren von der Studie abgedeckten Periode (zwischen 2005 und 2010), als schon mehr Myelommedikamente zur Verfügung standen, im Vergleich zu Patienten, die keine zusätzliche Behandlung erhielten (35 Prozent).

Studienergebnisse

In Anbetracht der Auswahlmethode für Einschluss in die Studienanalyse ist es automatisch der Fall, dass keiner der Patienten (0 Prozent), die direkt nach ihrer Erstbehandlung die Transplantation erhielten, entweder eine teilweise oder komplette Remission vor der Transplantation erreicht haben.

Im Gegensatz dazu erreichten von den Patienten, die eine zusätzliche Behandlung nach ihrer Erstbehandlung erhielten, 68 Prozent mindestens eine teilweise Remission vor ihrer Transplantation (8 Prozent erreichten eine komplette Remission und 60 Prozent eine teilweise Remission).

Nach ihren Transplantationen erreichten mehr Patienten, die eine zusätzliche Behandlung vor der Transplantation erhielten, eine komplette Remission als diejenigen, die dies nicht hatten (19 Prozent gegenüber 9 Prozent). Dasselbe Muster galt auch für teilweise Remissionen (40 Prozent gegenüber 33 Prozent).

Overall Survival - All Patients
Abbildung 1
Gesamtüberleben - Alle Patienten

(Bild anklicken, um grössere Version zu sehen)

Patienten, die eine zusätzliche Behandlung vor ihrer Transplantation erhielten, hatten jedoch trotz des Erzielens tieferer Remissionen vor und nach der Transplantation kein besseres progressionsfreies Überleben oder Gesamtüberleben als Patienten, die direkt nach ihrer Erstbehandlung eine Transplantation erhielten.

Die vierjährige progressionsfreie Überlebensrate betrug 30 Prozent für Patienten, die eine zusätzliche Behandlung hatten, und 31 Prozent für diejenigen ohne zusätzliche Therapie. Es gab auch wenig Unterschiede in den Gesamtüberlebensergebnissen für die beiden Gruppen (siehe Abbildung 1 rechts).

Overall Survival - Novel Therapy Patients
Abbildung 2
Gesamtüberleben - Patienten mit neuen Substanzen

(Bild anklicken, um grössere Version zu sehen)

Die Forscher prüften auch, ob sich ihre Ergebnisse  ebenfalls halten lassen bei Einschränkung der Analyse auf Patienten, die neue Substanzen - entweder Thalidomid, Velcade oder Revlimid - als einen Teil ihrer ersten Myelombehandlung bekamen. Diese Analyse wurde durchgeführt, um potenziellen Kritikern der Studie entgegen treten zu können, die behaupten könnten, dass die Studienergebnisse für aktuelle Behandlungsentscheidungen nicht relevant sind, weil heutzutage neue Substanzen, und nicht die ältere VAD Therapie, die Norm in der Erstbehandlung des multiplen Myeloms sind.

Jedoch gab es wieder keinen signifikanten Unterschied im Gesamtüberleben zwischen den beiden Patientengruppen („keine zusätzliche Behandlung" gegenüber „zusätzliche Behandlung“). Tatsächlich war bei den 195 Patienten, die eine neue Substanz als einen Teil ihrer Erstbehandlung erhielten, eine (statistisch nicht bedeutende) Tendenz zum längeren Überleben gegenüber den 69 Patienten, die  keine zusätzliche Behandlung vor ihrer Transplantation erhielten (siehe Abbildung 2 oben).

Für weitere Informationen, beziehen Sie sich bitte auf die Studie von Vij, R. et. al.: “Impact of Pretransplant Therapy and Depth of Disease Response before Autologous Transplantation for Multiple Myeloma”, in Biology of Blood and Marrow Transplantation, Februar 2015 (Zusammenfassung, auf Englisch).

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