Subkutane Gabe von Velcade: Informationen für Myelompatienten
Veröffentlicht: 3. Oktober 2011 17:48


Myelompatienten, die häufig mit Velcade behandeln werden, leiden oft an einer peripheren Neuropathie. Dies ist eine Schädigung der Nerven, welche Schmerzen, Taubheit, oder Kribbeln in den Extremitäten verursacht. Neue Studien haben zwei Wege identifiziert, durch die die mit Velcade verbundene Neuropathie und andere Nebenwirkungen reduziert werden können, ohne die Wirksamkeit wesentlich zu beeinflussen: die intravenöse Gabe von Velcade einmal wöchentlich statt zweimal wöchentlich oder die subkutane (statt intravenöse) Gabe von Velcade.
Velcade (Bortezomib) ist zurzeit in den Vereinigten Staaten und mehr als 90 Ländern weltweit für die intravenöse Gabe zur Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen. Etwa 30 Prozent der Myelompatienten, die Velcade intravenös bekommen, erleiden eine periphere Neuropathie. Velcade kann auch niedrige Blutzellwerte sowie gastrointestinale Probleme wie Brechreiz, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung verursachen.
Ärzte setzen regelmäßig die Dosis oder Frequenz der Behandlung mit Medikamenten herab, um Nebenwirkungen zu vermeiden, so wird Velcade bereits häufig wöchentlich verabreicht, seitdem eine Studie die Sicherheit und Wirkung dieser Darreichungsform gezeigt hat.
Die subkutane Anwendung von Velcade, abgekürzt sc., wird jedoch in einem beschränkteren Ausmaß verwendet, da sie in keinem Land offiziell zugelassen ist. Patienten, die sich für diese Art der Anwendung von Velcade interessieren, müssen gezielt danach fragen oder sich in einem Zentrum behandeln lassen, das die subkutane Gabe bereits anwendet.
Neue Ergebnisse über die Reduzierung der Nebenwirkungen von Velcade
Die Ergebnisse einer italienischen Studie zeigen, dass eine Reduzierung der Dosierungsfrequenz von intravenösem Velcade von zweimal wöchentlich auf einmal wöchentlich zu einer deutlichen Reduzierung der Nebenwirkungen einschließlich der peripheren Neuropathie führte (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon).
Ausserdem zeigten die Ergebnisse einer französischen Studie, die auf einem Treffen der amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie im Dezember präsentiert wurde, dass die subkutane Gabe von Velcade (eingespritzt ins Fett direkt unter der Haut) ebenfalls zu einer Reduzierung der Nebenwirkungen führte (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon).
Die Studie über die subkutane Gabe von Velcade schloss 222 Myelompatienten ein, die randomisiert wurden und Velcade entweder intravenös oder subkutan erhielten.
Die Gesamtansprechraten, die mittlere Zeit bis zum Krankheitsprogress und die Jahresüberlebensraten waren für die Patienten, die Velcade intravenös oder subkutan erhalten hatten, ähnlich.
Die Frequenz von schweren und lebensbedrohenden Nebenwirkungen war jedoch für diejenigen Patienten, die Velcade subkutan erhielten, deutlich niedriger (57 Prozent) als für Patienten, die Velcade intravenös (70 Prozent) erhielten. Genauer gesagt hatten Patienten, die subkutanes Velcade erhielten, eine deutlich niedrigere Rate an peripherer Neuropathie (6 Prozent) als Patienten, die Velcade intravenös (16 Prozent) erhielten.
Aufgrund dieser Ergebnisse reichte Millennium, die Firma, die Velcade in den Vereinigten Staaten vermarktet, einen Antrag an die amerikanische Bundesbehörde zur Überwachung von Nahrungs- und Arzneimittlel (FDA) für die Zulassung von subkutanem Velcade ein. Die Firma erwartet eine FDA Entscheidung über den Antrag vor dem 23. Januar 2012.
Obwohl es für Patienten zukünftig möglich sein könnte, Velcade zu Hause subkutan zu verwenden, sagte ein Vertreter von Millennium, dass die Firma zurzeit ihre Anstrengungen auf die subkutane Gabe von Velcade durch Gesundheits-Fachleute ausrichtet.
Bis jetzt wurden keine Studien durchgeführt, die die wöchentliche und subkutane Gabe von Velcade kombinieren, um zu sehen, ob die Kombination zu einer weiteren Reduzierung der Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Wirkung führen könnte. Der Millennium-Vertreter konnte sich nicht äußern, ob die Firma Pläne hat, diese Kombination zu untersuchen.
Gegenwärtige Anwendung von subkutanem Velcade in den Vereinigten Staaten.
Obwohl die FDA die subkutane Gabe von Velcade noch genehmigen muss, verabreichen Ärzte an mehreren Behandlungszentren in den Vereinigten Staaten Velcade bereits subkutan an Myelompatienten.
So schrieb Dr. David Vesole vom John Theurer Cancer Zentrum in Hackensack, New Jersey, zum Beispiel in seiner letzten Beacon Kolumne: " Wir haben die subkutane Gabe von Velcade für alle unsere Patienten eingeführt. Nur ein einziger Patient hat wegen eines lokalen Ausschlags an der Einstichstelle darum gebeten, Velcade wieder intravenös zu bekommen."
Dr. Ken Shain vom Moffitt Cancer Center in Tampa, Florida, berichtete Myeloma Beacon, "Ich gebe subkutanes Velcade bei ungefähr 8 Prozent bis 10 Prozent meiner rezidivierten und refraktären Patienten."
"Unseren Erfahrungen nach hat bis heute kein Patient bedeutende Probleme mit subkutanem Velcade gehabt -keine Reaktionen an der Einstichstelle [wie Ausschläge] oder das Bedürfnis,, zur intravenösen Dosierung zurückzukehren. Bis jetzt habe ich keinen Patienten, der lieber intravenöses als subkutanes [Velcade] haben möchte," fügte er hinzu.
Obwohl Dr. Shain" vom Potenzial des subkutanem Velcade" sehr begeistert ist, glaubt er, dass subkutanes Velcade weiter untersucht werden muss, bevor es weltweit angenommen wird.
"Ich bin noch nicht bereit, einen neuen Behandlungsstandard [mit subkutanem Velcade] zu etablieren, und ich empfehle es nicht für alle Patienten. Jedoch ist es eine gute Option für Personen, die bereits eine periphere Neuropathie haben," sagte er. "Die kleineren Infusionszentren haben sich bis jetzt nicht in diese Richtung bewegt und bleiben meiner Erfahrung nach zögernd."
Dr. Mario Curti, ein Hämatologe, dessen Gemeinschaftspraxis in Los Alamitos, Kalifornien, ein Infusionszentrum für Myelompatienten einschließt, sagte, dass er zurzeit wegen Erstattungsproblemen seinen Patienten Velcade nicht subkutan gibt, weil die Gabe von subkutanen Velcade noch nicht offiziell genehmigt ist.
Jedoch sagte er gegenüber Myeloma Beacon, dass er seinen Patienten subkutanes Velcade geben wird, sobald es von der FDA genehmigt wird. Laut Dr. Curti, "[wird subkutanes Velcade] [praktischer sein als intravenöses Velcade] und ebenso wirksam."
Gegenwärtige Anwendung von subkutanem Velcade in Europa
Wie in den Vereinigten Staaten ist subkutanes Velcade von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA noch nicht genehmigt. Jedoch wird, wie in den Vereinigten Staaten, in Behandlungszentren in einigen europäischen Ländern subkutanes Velcade bereits an Myelompatienten verabreicht, obwohl es für den Gebrauch offiziell noch nicht genehmigt worden ist.
Großbritannien
Laut Dr. Faith Davies vom Institute of Cancer Research and Royal Marsden Hospital in London werden sowohl subkutanes als auch wöchentliches Velcade in Großbritannien verwendet.
"Im Anschluss an die Veröffentlichung der Daten für die subkutane Gabe stellten die Krankenhäuser die neue Behandlungsoption ihren Krankenhauskommitees für Medikamente und Behandlung vor, um dort ein Einverständnis für die neue Applikationsweise zu bekommen," sagte Dr. Davies. Sie sagte jedoch, dass einige Krankenhäuser die offizielle Genehmigung für die subkutane Behandlungsweise benötigen, bevor es verwendet werden kann.
"Aus der Perspektive eines Patienten wird [die subkutane Gabe] eine angenehmere Erfahrung sein (keine Notwenigkeit eines intravenösen Zugangs, keine Notwendigkeit einer Wässerung, schnellere Applikation und weniger Nebenwirkungen)," fügte sie hinzu. "Wichtig ist, dass hoffentlich die Nebenwirkungen der peripheren Neuropathie vermindert werden, so dass Patienten das Medikament länger zu nehmen und von besseren und längeren Remissionen profitieren können."
Deutschland
Dr. Hermann Einsele vom Universitätsklinikum Würzburg sagte dem Myeloma Beacon, dass auch er die subkutane Gabe von Velcade für einige seiner Myelompatienten und die wöchentliche Gabe für andere verwendet.
"Wir bieten subkutanes Velcade an und stellen fest, dass die Rate der peripheren Neuropathie tatsächlich bei Patienten reduziert wird, die es erhalten," sagte er.
"Wir finden, dass [subkutanes Velcade] intravenöses Velcade völlig ersetzen könnte, wenn die periphere Neuropathie deutlich reduziert werden kann," fügte er hinzu.
Es ist jedoch nicht klar, wie viele Ärzte subkutanes Velcade im Rest Deutschlands verwenden.
Spanien
"Ich denke, dass es viele Krankenhäuser in Spanien gibt, die subkutanes Velcade verschreiben," sagte Dr. María-Victoria Mateos vom Universitätskrankenhaus in Salamanca. Sowohl sie als auch Dr. Joan Bladé von der Hospital-Clinic in Barcelona sagten jedoch, dass ihre Krankenhäuser subkutanes Velcade nicht verwenden.
Dr Mateos fügte hinzu: "Die subkutane Behandlung mit Velcade ist für die Patienten bequemer, für die Krankenschwestern leichter, es wird weniger Zei t in der Ambulanz benötigt und schließlich wird es in der nahen Zukunft möglich sein, es zu Hause zu verabreichen." Sie sagte auch, dass Velcade öfter als Erhaltungstherapie verwendet werden kann, sobald es für die Anwendung zu Hause verfügbar ist.
Italien
Dr. Michele Cavo vom Seràgnoli-Institut für Hämatologie und medizinische Onkologie in Bologna sagte, dass in Italien Velcade wöchentlich zur Reduzierung der Nebenwirkungen gegeben wird; subkutanes Velcade wird jedoch nicht verwendet, da es in Europa noch nicht zugelassen ist.
Er sagte auch, dass sobald subkutanes Velcade häufig verwendet wird, mehr Patienten wahrscheinlich mit Velcade behandelt werden, und es mit größerer Wahrscheinlichkeit als Erhaltungstherapie verwendet wird, "auch wenn der Beweis des klinischen Vorteils von Velcade als Erhaltungstherapie noch fehlt."
Patientenerfahrung mit subkutanem Velcade
Vor fünf Jahren wurde Melanie Kuftics Mutter im Alter von 59 Jahren mit dem multiplem Myelom diagnostiziert. Von März bis Mai 2011 verwendete sie subkutanes Velcade, bevor sie zu einer anderen Behandlung wechselte.
Zu dieser Zeit wurde Velcade am VCU Massey Krebs-Zentrum in Richmond, Virginia, wo sie behandelt wurde, nicht verwendet. Als Kuftics Mutter jedoch um die subkutane Applikation bat, erhielt sie Unterstützung von ihrem Onkologen. Die Krankenschwestern am Zentrum wurden angelernt, wie man Velcade subkutan verabreicht, und sie war die erste Patientin am Zentrum, die Vecade auf diesem neuen Weg erhielt.
"Die onkologische Krankenschwester injiziert Velcade in den Bauch meiner Mama, ungefähr 2 Zoll von ihrem Nabel entfernt; sie wechselten jede Woche die Einstichstelle" beschrieb Kuftic.
"Ihre Nebenwirkungen haben sich, mit dem Wechsel von intravenösem auf subkutanes Velcade deutlich verbessert - deutlich weniger Neuropathie, Durchfall und weniger kognitive Einschränkungen," erklärte Kuftic.
"Sie hatte keine schlimmeren Nebenwirkungen mit subkutanem Velcade, sie bekam jedoch eine allergische Reaktion um die Einstichstelle, die die Größe eines Vierteldollarstückes bis zu fünfzig Cent hatte, sich in einen blauen Fleck verwandelte und in ungefähr einer Woche verschwunden war. Es juckte oder schmerzte nicht, es sei denn, dass direkter Druck auf das Gebiet ausgeübt wurde."
Für weitere Informationen über die Erfahrungen von Patienten mit subkutanem Velcade, siehe die Diskussion (auf Englisch) in den Myelom Foren von Myeloma Beacon.
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