ASCO 2011 Update Multiples Myelom – Tag 3, Teil 1

Gestern war der dritte Tag der Jahresversammlung der amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO) 2011 in Chicago, und es gab besonders viele Vorträge zum multiplen Myelom.
Es gab eine Morgensitzung, auf der insgesamt acht Forschungsprojekte präsentiert und diskutiert wurden. Am späten Nachmittag gab es eine Fortbildungssitzung, die sich mit unterschiedlichen Vorträgen über das multiple Myelom beschäftigte.
Die Vorträge während der Morgensitzung wurden zu drei verschiedenen Themen gehalten: Revlimid (Lenalidomid) und seine potenzielle Verbindung zu sekundären Malignomen, die Myelom-assoziierte Knochenerkrankung und neue Medikamente, die als potenzielle Behandlungen für das multiple Myelom entwickelt werden.
Dieser Artikel wird zwei von drei Themen der Morgensitzung zusammenfassen - Revlimid und sekundäre Malignome, sowie die potenziellen neuen Myelommedikamente, während der zweite Teil der Berichterstattung von Myeloma Beacon für Tag Drei die übrigen Myelom-Vorträge des Tages zusammenfassen wird.
Die Morgensitzung begann mit den Vorträgen über Revlimid und sekundäre Malignome. Der erste Vortrag wurde von Dr. Antonio Palumbo von der Universität Turin gehalten. Er sprach über sekundäre Malignome in der Revlimid-Erhaltungstherapiestudie (MM 015), für die er der Studienleiter ist. Die Studie ist für neu diagnostizierte ältere Myelompatienten, die für eine Stammzelltransplantation nicht in Frage kommen.
Ein Drittel der Patienten in der MM 015-Studie wurde mit Melphalan (Alkeran) und Prednison (MP) behandelt, ein Drittel erhielt zeitgleich Revlimid (MPR), und das letzte Drittel erhielt die Dreier-Kombination MPR, gefolgt von einer langfristigen Revlimid-Erhaltungstherapie (MPR-R).
Bis zum 28. Februar gab es vier Fälle von sekundären Malignomen in der MP-Gruppe, neun in der MPR Gruppe und 12 in der MPR-R Gruppe. Alle Patienten, die eine komplexe Cytogenetik hatten (chromosomale Abnormitäten), waren in der MPR und MPR-R Gruppe. Diese Patienten hatten ein bedeutend höheres Risiko, einen sekundären Krebs zu entwickeln, was, mindestens teilweise, die Diskrepanzen des Auftretens von sekundären Malignomen in den drei Behandlungsgruppen erklären kann.
Dr. Palumbo analysierte das relative Risiko, ein sekundäres Malignom gegenüber einer Krankheitsprogression oder dem Tod zu entwickeln und schlussfolgerte, dass das Verhältnis von Vorteil zu Risiko für Revlimid günstig war. Das wurde nach Meinung von Dr. Palumbo durch die zusätzliche retrospektive Analyse der Ergebnisse von neun anderen klinischen Myelomstudien bestätigt.
Dr. Adrianna Rossi vom Weill Cornell Medical College und New York Presbyterian Hospital sprach als nächste über sekundäre Malignome nach sechs Jahren Follow-up bei 72 neu diagnostizierten Myelompatienten, die mit Clarithromycin, Revlimid und Dexamethason, bekannt als BiRD, behandelt wurden.
Die Behandlung war mit einer Gesamtansprechrate von 90 Prozent sehr wirksam. Sechzehn Prozent der Teilnehmer entwickelten ein Zweitmalignom nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 31 Zyklen Revlimid. Die sekundären Malignome waren mit keinen Risikofaktoren wie spezifische chromosomale Abnormitäten verbunden, ungeachtet dessen ob der Patient eine Stammzelltransplantation erhalten hatte, ob dieser Patient noch mit Revlimid behandelt wurde oder dem Geschlecht des Patienten. Die Rate von sekundären Malignomen in dieser Studie (2,85 Prozent pro Patientenjahr) war mit Krebsraten bei Personen ähnlichen Alters vergleichbar, die kein Myelom haben (2,1 Prozent pro Patientenjahr).
Dr. Ruben Niesvizky von Weill Cornell Medical College sprach dann über sekundäre Malignome in zwei Studien, in denen rezidivierte/refraktäre Myelompatienten mit Revlimid und Dexamethason oder Dexamethason allein bis zum Krankheitsprogress behandelt wurden.
Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 48 Monaten wurden acht sekundäre Malignome im Revlimid-Dexamethason Arm, im Vergleich zu zwei sekundären Malignomen für den Dexamethason-Arm verzeichnet. Die Zeit bis zur Kranheitsprogression oder der Entwicklung eines Zweitmalignoms betrug 12,4 Monate für Revlimid-Dexamethason im Vergleich zu 4,6 Monaten für Dexamethason allein.
Wenn man in Betracht zieht, dass Revlimid plus Dexamethason das Überleben signifikant verlängert hat (Gesamtüberleben von 31 Monaten im Vergleich zu 24 Monaten) und dass ältere Leute ein allgemein höheres Krebsrisiko haben, waren die beobachteten sekundären Malignomraten in beiden Behandlungsarmen mit für die allgemeine Bevölkerung erwarteten Raten vergleichbar.
Auf Grundlage seiner Analyse schlussfolgerte Dr. Niesvizky, das das Verhältnis von Vorteil zu Risiko für Revlimid stark positiv ist.
Der Teil der Morgensitzung über Revlimid und sekundäre Malignome wurde mit einer zusammenfassenden Diskussion abgeschlossen, die von Dr. Ola Landgren vom National Cancer Institute geleitet wurde. Dr. Landgren hat mehrere Studien, die im Laufe der Jahre durchgeführt worden sind, analysiert. Diese zeigten, dass mehrere Myelompatienten sekundäre Malignome nach der Therapie mit Melphalan entwickelt haben. Er sprach dann über die drei großen Revlimid–Erhaltungstherapie-Studien (CALGB 100104, IFM 2005-02 und MM 015), die alle eine höhere Rate von sekundären Malignomen in den Revlimid-Armen gezeigt hatten. Obwohl Patienten in den Revlimid-Armen ein höheres Risiko haben, ein Zweitmalignom zu entwickeln, war das Gesamtüberleben in einer dieser Studien (CALGB 100104) für die Revlimid-Gruppe bedeutend länger als für die Placebo-Gruppe. Dr. Landgren betonte, dass die Mechanismen verstanden werden müssen, die diese Zweitmalignome verursachen, um so diejenigen Myelompatienten identifizieren zu können, die höchstwahrscheinlich ein Zweitmalignom entwickeln werden.
Dann gab es eine Reihe von Vorträgen über Ergebnisse von klinischen Studien für mehrere potenzielle neue Myelombehandlungen.
Dr. Noopur Raje vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston begann diesen Teil der Sitzung mit einem Vortrag über Ergebnisse einer Phase 1-Studie mit LY2127399 und Velcade (Bortezomib) bei Patienten mit vorbehandeltem Myelom.
LY2127399 wird von der amerikanischen Pharmafirma Eli Lilly entwickelt. Es ist ein menschlicher Antikörper, der auf ein Protein namens BAFF ausgerichtet ist, welches in den Myelomzellen von ungefähr 60 Prozent aller Myelompatienten vorhanden ist. Die Hauptziel dieser Studie war, die beste Dosierung für LY2127399 in der Kombination mit Velcade zu ermitteln.
Die Studie schloss 20 Patienten mit einer mittleren Anzahl von drei vorherigen Therapien ein. Die mittlere Zeit bis zur Krankheitsprogression betrug 4,9 Monate. Alle Dosierungen wurden gut vertragen, und Nebenwirkungen waren vergleichbar mit der alleinigen Velcadegabe. Es gab einige Fälle von sehr niedrigen Blutzellwerten, Diarrhöe und peripherer Neuropathie. Drei Patienten unterbrachen ihre Therapie wegen der Neuropathie. Die Gesamtansprechrate betrug 55 Prozent. Eine vorhergehende Velcade-Therapie beeinflusste das Ansprechen nicht.
Der folgende Vortrag wurde von Dr. Jesus Berdeja vom Sarah Cannon Research Institute in Nashville, Tennessee gehalten. Dr. Berdeja präsentierte vorläufige Ergebnisse einer laufenden Phase 1-Studie von Lorvotuzumab Mertansin (LM oder IMGN901) in Kombination mit Revlimid und Dexamethason in einer spezifischen Gruppe rezidivierter / refraktärer Myelompatienten, deren Myelomzellen das CD56 Protein enthalten.
LM, das von der amerikanischen biotechnischen Firma ImmunoGen entwickelt wird, ist ein Chemotherapeutikum (Mertansin), welches chemisch an einen Antikörper (Lorvotuzumab) gebunden wird, der LM zu Zellen mit dem CD56 Protein leitet. Ungefähr 70 Prozent der Myelompatienten haben Myelomzellen mit CD56; das Protein ist in normalen Plasmazellen nicht vorhanden.
Sechzehn Patienten waren zum Zeitpunkt der Analyse von Dr. Berdeja in die LM-Studie aufgenommen. Bis jetzt beträgt das Gesamtansprechen 62 Prozent. Dr. Berdeja fügte hinzu, dass Lorvotuzumab bei Patienten mit ungünstigen chromosomalen Veränderungen aktiv war. Zusätzlich scheint Lorvotuzumab gut vertragen zu werden. Die schwerwiegendste Hauptnebenwirkung war eine periphere Neuropathie.
Dr. Philippe Moreau vom Universitätskrankenhaus in Nantes hielt den letzten Vortrag über potenzielle neue Myelombehandlungen. Er präsentierte Ergebnisse einer Phase 2-Studie von Elotuzumab in Kombination mit Revlimid und niedrig dosiertem Dexamethason bei Patienten mit rezidiviertem Myelom.
Elotuzumab wird von Bristol-Myers Squibb entwickelt. Das Medikament ist ein Antikörper, der Myelomzellen ins Visier nimmt. Die von Dr. Moreau besprochene Studie schloss 63 Patienten ein, und es wurden zwei verschiedene Dosierungen von Elotuzumab geprüft. Die Gesamtansprechrate für beide Dosierungen betrug 82 Prozent. Das progressionsfreie Überleben wurde bei einer mittleren Beobachtungszeit von 9 Monaten noch nicht erreicht. Die einzigen schwerwiegenden Nebenwirkungen waren niedrige Blutzellwerte aufgrund der Revlimidgabe. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Infusionsreaktionen wie Brechreiz, Schwindel, Kopfweh und Fieber.
Dr. Moreau schlussfolgerte aus den bisherigen Ergebnissen dieser Studie, dass Elotuzumab plus Revlimid und Dexamethason besser zu sein scheint als Revlimid und Dexamethason allein. Weil die Daten zeigten, dass die Gesamtansprechrate 90 Prozent bei Patienten mit nur einer vorherigen Therapie betrug, schlug Dr. Moreau vor, dass diese Kombination bereits früher im Krankheitsverlauf geprüft werden sollte.
Den drei Vorträgen über potenzielle neue Myelombehandlungen folgte eine zusammenfassende Diskussion, die von Dr. Nikhil Munshi vom Dana-Farber Cancer Institute geleitet wurde.
Dr. Munshi sagte, dass es mehr als 10 monoklonale Antikörper in verschiedenen Stufen der klinischen Prüfung als potenzielle neue Myelombehandlungen gibt. Jedoch ist die Wirkung der einzelnen Substanzen bei alleiniger Gabe bis heute bescheiden gewesen. Er sagte, dass deshalb wahrscheinlich Kombinationsbehandlungen erforderlich sein werden.
Sowohl hinsichtlich LY2127399 als auch hinsichtlich LM befand Dr. Munshi, dass die während der Sitzung präsentierten Ergebnisse günstig waren, aber dass mehr Beweise erforderlich sind, bevor die beiden Medikamente als viel versprechende Myelommedikamente eingeordnet werden können.
Dr. Munshi beurteilte die Aussichten für Elotuzumab günstiger. Obwohl er der Meinung ist, dass es noch wichtige unbeantwortete Fragen hinsichtlich dieser Substanz gibt, denkt er, dass die Kombination von Elotuzumab und Revlimid viel verspricht.
Als ein Teil der Berichterstattung über die 2011 ASCO-Sitzung wird Myeloma Beacon komplette Berichte von jedem Vortrag über neue Medikamente veröffentlichen, sowie einen zusätzlichen Artikel , der sich auf die Vorträge über Revlimid und sekundäre Malignome konzentriert.
Weitere Details von gestrigen Sitzungen sind auch in den Myeloma Beacon Foren verfügbar (auf Englisch). Nachrichten vom Rest der ASCO-Sitzung werden in den Foren und in anderen täglichen Aktualisierungen wie dieser ebenfalls zusammengefasst.
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