ASH 2010 Multiples Myelom Update – Tag 2
Veröffentlicht: 6. Dezember 2010 14:31


Gestern war der zweite Tag der Jahresversammlung 2010 der amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (American Society of Hematology, ASH) in Orlando. Es war ein besonders ereignisreicher Tag bezogen auf das multiple Myelom mit zahlreichen Vorträgen während des Tages und einer umfassenden Poster-Sitzung am frühen Abend.
Eine der ersten Präsentationen des Tages war eine Pressekonferenz, in der die Ergebnisse einer Phase 3-Studie präsentiert wurden, die die Wirkung und Sicherheit von zwei verschiedenen Stammzell-Transplantationsbehandlungen für das multiple Myelom verglichen hat (ASH Inhaltsangabe).
In einem Arm dieser Studie erhielten Patienten zwei autologe Stammzelltransplantationen (SZT) d. h. Transplantationen unter Verwendung ihrer eigenen Stammzellen.
Im anderen Arm der Studie erhielten Patienten eine autologe Stammzelltransplantation, gefolgt von einer allogenen Stammzelltransplantation mit von Geschwistern gespendeten Stammzellen. Allogene Transplantationen schließen definitionsgemäß von einem Spender zur Verfügung gestellte Stammzellen ein.
Aus mindestens zwei Gründen gibt es reges Interesse an den Ergebnissen dieser Studie.
Erstens hat die bisherige Forschung gezeigt, dass Patienten, die zwei autologe SZT erhalten, länger leben als Patienten, die nur eine einzelne autologe Transplantation erhalten.
Zweitens ist eine allogene Transplantation zurzeit die einzige Behandlung, die das Potenzial hat, alle Myelomzellen aus dem Körper eines Patienten zu entfernen. Jedoch sind allogene Transplantationen häufiger mit schweren - häufig tödlichen- Nebenwirkungen verbunden.
Auf der Pressekonferenz und einer weiteren Präsentation, die später am Tag stattfand, berichtete Dr. Amrita Krishnan vom City of Hope Cancer Center in Duarte, Kalifornien, dass die Tandem-autologe SZT in dieser Studie wirksamer war als die autologe-allogene-SZT Behandlung.
Nach drei Jahren betrug das Überleben ohne Krankheitsprogression 46 Prozent für Patienten, die die "auto-auto" SZT erhalten haben im Vergleich zu 43 Prozent für die Patienten, die die "auto-allo" SZT erhalten haben. Ähnlich war das Gesamtüberleben mit 80 Prozent und 77 Prozent für die beiden Gruppen.
Etwas mehr auto-auto Patienten erlitten einen Rückfall (50 Prozent der auto-auto Patienten gegenüber 46 Prozent der auto-allo Patienten). Jedoch war die mit der Behandlung verbundene Sterblichkeitsrate höher für die auto-allo Gruppe (11 Prozent gegenüber 4 Prozent für auto-allo Patienten).
Die Ergebnisse der Studie lösten eine Diskussion darüber aus, ob Myelompatienten auf Basis dieser Ergebnisse keine allogenen Transplantationen mehr erhalten sollten.
Dr. Krishnan ist der Meinung, dass es zu früh ist schlusszufolgern, dass allogene SZT für Myelompatienten nicht mehr in Frage kommen. Sie glaubt, dass sie noch für risikoreiche Patienten in Betracht gezogen werden müssen. Noch wichtiger sei, dass die Ergebnisse darauf hinwiesen, dass bessere Wege gefunden werden müssen, um die schweren Nebenwirkungen von allogenen Transplantationen besser in den Griff zu bekommen.
In den Vorträge gestern Nachmittag wurden die Ergebnisse von verschiedenen Studien präsentiert, die sich hauptsächlich mit autologen Transplantationen in Kombination mit verschiedenen Induktionsbehandlungen, Konsolidierungen und Erhaltungstherapien befassten.
Der erste Vortrag wurde von Dr. Philip McCarthy von Roswell Park-Cancer-Institut in Buffalo, New York gehalten. Er präsentierte aktualisierte Ergebnisse von der CALGB Phase 3-Studie mit Revlimid (Lenalidomid) oder Placebo-Erhaltungstherapie nach einer autologen SZT. Fast 570 Patienten wurden mit Melphalan behandelt, erhielten eine SZT und dann entweder Revlimid- oder Placebo-Erhaltungstherapie (ASH Inhaltsangabe).
Gegen Ende 2009 zeigte eine vorläufige Datenanalyse dieser Studie eine so bedeutende Verbesserung in der Zeit bis zur Krankheitsprogression bei Patienten im Revlimid-Erhaltungsarm, dass die Studie entblendet wurde und Patienten im Placebo-Arm erlaubt wurde, auf die Einnahme von Revlimid umzusteigen.
Zwölfmonatige Ergebnisse wurden auf dem Treffen der amerikanischen Gesellschaft für Klinische Oncologie präsentiert, das in diesem Sommer statt fand, und 18-monatige Ergebnisse wurden auf der gestrigen Sitzung präsentiert.
Diese letzte Analyse zeigt, dass die Zeit bis zur Krankheitsprogression in der Revlimid-Erhaltungssgruppe (42,3 Monate) im Vergleich zur Placebo-Gruppe (21,8 Monate) deutlich besser ist. Das Gesamtüberleben ist für die zwei Gruppen ähnlich, aber das könnte an dem hohem Prozentsatz an Placebo-Patienten liegen, die die Revlimid-Erhaltungstherapie begannen, als die Studie Ende 2009 entblendet wurde.
Diese Studie ist eine von mehreren neuen Studien, die den Gebrauch der Revlimid-Erhaltungstherapie nach der Stammzelltransplantation unterstützen. Eine wichtige Warnung der Studie besteht jedoch darin, dass 25 Patienten einen zweiten Krebs - d. h. einen zusätzlicher Krebs außer dem Myelom - während der Erhaltungstherapie entwickelten.
Die Ergebnisse einer anderen Studie, die Revlimid (nicht im Zusammenhang mit der Erhaltungstherapie) untersucht, wurden von Dr. David Siegel von Hackensack Medizinischen Universitätszentrum in New Jersey präsentiert (ASH Inhaltsangabe).
In der von Dr. Siegel besprochenen Studie erhielt die Hälfte von neu diagnostizierten Myelompatienten eine anfängliche Behandlung mit Revlimid/Hochsdosis-Dexamethason und die andere Hälfte Revlimid/Niedrigdosis-Dexamethason. Nach vier Zyklen hatten die Patienten die Wahl, entweder die Revlimid/Dexamethason Behandlung fortzusetzen oder sich für eine autologe Stammzelltransplantation zu entscheiden.
Der Schlüsselbefund dieser Studie besteht darin, dass Patienten, die die Stammzelltransplantation früh nach den anfänglichen vier Zyklen der Revlimid-Dexamethason Behandlung erhielten, ein höheres dreijähriges Gesamtüberleben hatten als Patienten, die eine spätere Stammzelltransplantation hatten. Dies gilt für alle Altersgruppen.
Zum Beispiel führt dies bei Patienten im Alter von 65 Jahren, die sich entschließen, die Stammzelltransplantation in einem frühen Stadium durchführen zu lassen, zu einer dreijährigen Gesamtüberlebensrate von 94 Prozent gegenüber einer Gesamtüberlebensrate von 78 Prozent bei Patienten, die die Stammzelltransplantation später hatten.
Für Patienten über 65 Jahre betrugen die dreijährigen Gesamtüberlebensraten 83 Prozent für die frühe SZT gegenüber 69 Prozent für die späte SZT.
Dr. Siegel und seine Mitverfasser weisen darauf hin, dass man mit der Interpretation der Ergebnisse vorsichtig sein muss, weil die Patienten nicht randomisiert eingeteilt wurden, sondern diese Entscheidung selber trafen. Die Ergebnisse weisen trotzdem darauf hin, dass unabhängig vom Alter eine frühe Transplantation das Patientenleben verbessern kann.
Ein Vortrag von Dr. Pieter Sonneveld vom Erasmus Medical Centers in Rotterdam, Niederlande, berichtete über Ergebnisse einer europäischen Phase 3-Studie, die Velcade (Bortezomib) Induktionstherapie gefolgt von Hochdosischemotherapie mit Melphalan und Stammzelltransplantation mit anschliessender Velcade-Erhaltungstherapie untersucht hat (ASH Inhaltsangabe).
Die Hälfte der Patienten in dieser Studie erhielt eine Vincristin Doxorubicin (Adriamycin)-Dexamethason Induktion, dann eine Melphalan (Alkeran) Behandlung gefolgt von einer autologen oder allogenen Transplantation mit einer anschließenden Thalidomid-Erhaltungstherapie über zwei Jahre. Die andere Hälfte erhielt dieselbe Behandlung außer der Velcade-Doxorubicin-Dexamethason Induktion und Velcade-Erhaltungstherapie. Mehr als 600 neu diagnostizierte Patienten nahmen an der Studie teil, ungefähr 300 in jedem der zwei Arme.
Das Ansprechen, das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben waren alle in der Velcade Gruppe besser. Zum Zeitpunkt von 36 Monaten war das Gesamtüberleben 78 Prozent im Velcade Arm und 71 Prozent im Thalidomid-Arm. Zusätzlich blieben mehr Patienten auf der Velcade Behandlung wegen Thalidomid-Nebenwirkungen im Thalidomid-Arm.
Eine ähnliche Präsentation wurde von Dr. Michele Cavo der Bologna Universität in Italien vorgetragen. In der von Dr. Cavo besprochenen europäischen Phase 3-Studie erhielten neu diagnostizierte Myelompatienten eine Velcade-Thalidomid-Dexamethason (VTD) oder Thalidomid-Dexamethason (TD) Induktionstherapie, gefolgt von Melphalan und Tandem-Transplantationen, dann Konsolidierung mit derselben Behandlung wie die Induktionstherapie, gefolgt von einer Dexamethason-Erhaltungstherapie (ASH Inhaltsangabe).
Es gab mehr komplette und nahezu-komplette Remissionen mit VTD als mit TD (31 Prozent gegenüber 11 Prozent komplette oder nahezu komplette Remissionen; und 62 Prozent gegenüber 45 Prozent nach der Konsolidierung). Das dreijährige progressionsfreie Überleben betrug 68 Prozent für die VTD Gruppe und 56 Prozent für die TD Gruppe. Zusätzlich überwand Velcade die schlechte Prognose von Patienten mit der chromosomalen Abnormität t (4; 14).
Es gab eine Tendenz zum größeren Gesamtüberleben im VTD Arm, aber der Unterschied zwischen den zwei Gruppen war statistisch nicht signifikant. Das Gesamtüberleben bei 44 Monaten ist 84 Prozent im VTD Arm und 74 Prozent im TD Arm.
Die Rate an schweren Nebenwirkungen war bei beiden Behandlungsarmen ähnlich. Im Unterschied zu anderen Studien, die gestern diskutiert wurden, hatten Patienten im Thalidomid-Arm dieser Studie keine signifikanten Probleme mit Nebenwirkungen und mussten auch nicht ihre Thalidomid-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen.
Beim Thema Thalidomid ist es eine Studie erwähnenswert, die gestern von Dr. Keith Stewart von Mayo Klinik in Scottsdale, Arizona vorgetragen wurde. Dr. Stewart berichtete über die Ergebnisse einer Phase 3-Studie, die die Erhaltungstherapie mit Thalidomid und Prednison untersuchte (ASH Inhaltsangabe).
In dieser Studie wurden kürzlich diagnostizierte Myelompatienten, die eine autologe Stammzelltransplantation erhalten hatten, randomisiert eingeteilt, und erhielten entweder eine Thalidomid/Prednison Erhaltungstherapie oder keine Erhaltungstherapie (nur Beobachtung).
Frühere Studien haben gezeigt, dass die Thalidomid-Erhaltungstherapie das progressionsfreie Überleben verlängert, aber für das Gesamtüberleben variierten die Ergebnisse.
In den von Dr. Stewart präsentierten Ergebnissen betrug das progressionsfreie Überleben 28 Monate für die Thalidomid-Erhaltungsgruppe gegenüber 17 Monaten für den Beobachtungsarm.
Das vierjährige Gesamtüberleben war 68 Prozent für die Thalidomid-Erhaltungstherapiegruppe und 60 Prozent für den Beobachtungsarm. Das mittlere fünfjährige Gesamtüberleben ist für die Erhaltungsgruppe noch nicht erreicht worden; jedoch gibt es eine positive Tendenz für die Erhaltungsgruppe, obwohl der Unterschied statistisch nicht signifikant ist.
Die Nebenwirkungen waren wie erwartet in der Thalidomid-Erhaltungsgruppe höher, mit besonderem Augenmerk auf die periphere Neuropathie und der Thromboseneigung.
Während der gestrigen abendlichen Poster-Sitzung gab es viele Forschungsergebnisse über potenzielle neue Myelomtherapien, die noch in Entwicklung sind. Es gab zum Beispiel Poster über Carfilzomib, Elotuzumab, Panobinostat, Perifosin, Pomalidomid und Zolinza (Vorinostat). Diese potenziellen Behandlungsmöglichkeiten sind bereits bekannt, und Myeloma Beacon wird weiter über sie berichten, entweder in kommenden Aktualisierungen oder in eigenständigen, eingestellten Nachrichtenartikeln (siehe zum Beispiel den neuen Artikel von Myeloma Beacon über Carfilzomib in den Nachrichten von diesem ASH-Treffen).
Es gab noch Poster über zwei potentielle Myelombehandlungen, die bisher wenig Aufmerksamkeit erhalten haben.
Ein Poster besprach BT062, ein neues Medikament, das von der deutschen Firma Biotest AG entwickelt wird. Die Autoren des Posters berichteten über Ergebnisse einer Phase 1-Studie, die so vielversprechend sind, dass Biotest plant, eine Phase 1/2-Studie des Medikamentes bei rezidivierten/refraktären Myelompatienten zu beginnen (ASH Inhaltsangabe).
Ein anderes Poster berichtete über Ergebnisse einer kleinen italienischen Phase-Studie, die den potenziellen Gebrauch eines älteren Medikamentes, Fotemustin, in der Kombination mit Velcade und Dexamethason untersucht hat. Fotemustin, das auch durch den Markennamen Muphoran bekannt ist, ist in Europa für die Behandlung des Melanoms zugelassen. Es ist in den Vereinigten Staaten nicht zugelassen (ASH Inhaltsangabe).
Die Ergebnisse der italienischen Studie zeigen, dass die Kombination von Fotemustin, Velcade und Dexamethason sicher ist und bei rezidivierten/refraktären Patienten vielversprechende Ergebnisse zeigt. So hatten 80 Prozent der Studienteilnehmer mindestens ein sehr gutes teilweises Ansprechen erreicht.
Myeloma Beacon wird weiter regelmäßig vom ASH-Kongress berichten.
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