ASH 2010 Multiples Myelom Update – Tag 1
Veröffentlicht: 5. Dezember 2010 08:43


Gestern war der erste offizielle Tag des jährlichen Treffens der amerikanischen Hämatologie-Gesellschaft (American Society for Hematology, ASH). Der Tag war gefüllt mit Vorträgen und einer Postersitzung.
Der Morgen startete mit einer Fortbildungssitzung, in der einige Vorträge zum Thema multipes Myelom gehalten wurden.
Der erste Vortrag war von Dr. Ola Landgren vom Nationalen Krebs-Institut und dem National Institute For Health in Bethesda, Maryland. Dr. Landgren sprach über die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) und das indolente (langsam progrediente )„smoldering“ Myelom, beides Vorläufererkrankungen des multiplen Myeloms.
Eine Studie, die von Dr. Landgren im letzten Jahr veröffentlicht wurde, zeigte, dass alle Myelompatienten zu Beginn MGUS haben, auch wenn viele nicht diagnostiziert werden, bis das MGUS bereits zum Myelom fortgeschritten ist (siehe ähnliche Nachrichten von Myeloma Beacon). Es gibt Hinweise, dass MGUS zum indolenten Myelom fortschreiten kann, welches dann zum Myelom wird.
Dr. Landgren erklärte, dass die durchschnittliche Progressionsrate von MGUS bis zum Myelom oder einem verwandten Krebs 1 Prozent pro Jahr ist. Jedoch unterliegen einige Patienten einem höheren Risiko als andere. Von den Patienten mit einem niedrigen Progressionsrisiko werden ungefähr 5 Prozent in 20 Jahren eine Krankheitsprogression erfahren. Von den Patienten mit hohem Risiko werden 58 Prozent im gleichen Zeitraum progredient. Da die große Mehrheit von MGUS-Patienten nie bis zum Myelom fortschreiten, ist es laut Dr. Landgren nicht notwendig, die breite Öffentlichkeit auf MGUS zu screenen. Stattdessen sollten Patienten mit MGUS basierend auf ihrem Progressionsrisiko entsprechend kontrolliert werden.
Das indolente Myelom hat dagegen eine viel höhere Progressionsrate. In den ersten 5 Jahren nach Diagnosestellung hat ein Patient mit einem indolenten Myelom jedes Jahr eine 10-prozentige Wahrscheinlichkeit der Krankheitsprogression. in den folgenden 5 Jahren sinkt das Risiko auf weniger als 3 Prozent pro Jahr und danach auf 1 Prozent pro Jahr.
Zurzeit haben Studien, die beim indolentem Myelom durchgeführt wurden, um eine Krankheitsprogression zu verhindern oder die Überlebenszeit zu verlängern, keinen Vorteil für die behandelten Patienten gezeigt. Deshalb empfahl Dr. Landgren, dass Patienten mit indolentem Myelom nur in klinischen Studien behandelt werden sollten. Außerhalb klinischer Studien sollten diese Patienten nur auf Zeichen der Krankheitsprogression überwacht werden. Es ist noch nicht bekannt, ob eine frühe Behandlung eine aggressivere Krankheit beim Rückfall verursachen kann.
Im weiteren Verlauf der Fortbildungssitzung sprach Dr. Sagar Lonial vom Emory University's Winship Cancer Institut über die Behandlung von rezidivierten Myelompatienten.
Im Falle eines Krankheitsrückfalls sagte Dr. Lonial, muss der Arzt zuerst entscheiden, ob der Patient zu behandeln sei oder nicht. Wenn ein Patient hohe Kalziumwerte, Nierenkomplikationen, niedrige rote Blutzellen oder eine Knochenbeteiligung hat, sollte er behandelt werden. Er wies jedoch darauf hin, dass Patienten, die nur einem laborchemischen Rückfall, wie z.B. den Nachweis des monoklonalen Proteins (M-Protein), aufwiesen, nicht notwendigerweise behandelt werden müssen. Im letzteren Fall sollte der Arzt auf die Aggressivität des vorherigen Rückfalls, die Gefahr von Organschäden und die Höhe des M-Proteins achten.
Für Patienten mit ersten Rückfall, die ein langsam fortschreitendes Myelom haben, schlug Dr. Lonial eine Einfach-Therapie mit Velcade (Bortezomib), Revlimid (Lenalidomid) oder Thalidomid vor. Er empfahl, die Revlimid-Therapie bei Patienten einzusetzen, die mit Velcade vorbehandelt sind und eine periphere Neuropathie haben. Die Velcade-Therapie sollte bei Patienten verwendet werden, die mit Revlimid oder Thalidomid vorbehandelt sind, die vorher ein gutes oder langes Ansprechen auf Velcade zeigten oder Nierenprobleme hatten.
Dr. Lonial empfahl eine Stammzelltransplantation für diese Patienten, falls sie keine Transplantation zu Beginn der Behandlung erhalten haben oder falls sie eine lange Remission nach der ersten Transplantation (18 bis 24 Monate) hatten. Er wies darauf hin, dass die Remissionsdauer nach der zweiten Transplantation gewöhnlich kürzer ist als die erste. Patienten, die aufgrund niedriger Blutzellwerte nicht mit neueren Substanzen behandelt werden können, haben häufig keine andere Möglichkeit außer einer Stammzelltransplantation.
Für Patienten mit aggressivem, schnell fortschreitendem Myelom, welches bereits mehrmals rezidiviert ist, sagte Dr Lonial, dass die Optionen Chemotherapie, Chemotherapie plus Revlimid oder Velcade oder eine Stammzelltransplantation in Kombination mit Revlimid und Dexamethason in Frage kommen. Er erklärte, dass in dieser Gruppe die Wirkung einer Transplantation wahrscheinlich kurzlebig sein wird, aber es ist ein schneller Weg, die Krankheit zu kontrollieren, um mit der zusätzlichen Therapie schnell folgen zu können.
Dr. Lonial war besonders optimistisch über die folgenden, sich in der Entwicklung befindlichen Substanzen: Pomalidomid, Carfilzomib, Panobinostat und Zolinza (Vorinostat) in Kombination mit neuen Substanzen (Revlimid, Velcade und Thalidomid), Perifosin, und Elotuzumab.
Am Nachmittag gab es eine Sitzung über Myelom-Stammzellen. Unter Myelom-Stammzellen hat man sich diejenigen Krebszellen vorzustellen, die widerstandsfähig gegen die Behandlung sind, dann neue Myelomzellen bilden und zum Rückfall (Relapse) führen. Es gibt zunehmend Hinweise auf diese Krebszellen, aber vieles über sie ist noch unbekannt.
Dr. William Matsui von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore sprach über den Ursprung der Myelom-Stammzellen. Er glaubt, dass es Myelom-Stammzellen gibt, aber dass sie selten sind. Studien weisen darauf hin, dass jede 10.000ste oder jede 100.000ste Krebszelle eine Krebs-Stammzelle ist.
Die Quelle dieser Myelom-Stammzellen ist noch unbekannt. B-Zellen sind Immunzellen, die aktiviert werden können, um Antikörper zu erzeugen. An diesem Punkt werden sie als Plasmazellen bezeichnet. Dr. Mastsui präsentierte Studien, die zeigen, dass B-Zellen wahrscheinlicher die Quelle von Myelom- Stammzellen sind als Plasmazellen.
Dr. Matsui beschrieb, dass B-Zellen-basierte Strategien, die Myelom-Stammzellen ins Visier zu nehmen, verfolgt worden sind, aber die Selbsterneuerung von Krebs-Stammzellen muss verfolgt werden. Er schlug vor, dass die normalen Myelomzellen mit einer Hochdosistherapie reduziert werden sollten, um anschließend die Krebs-Stammzellen ins Visier zu nehmen. Er wies auch daraufhin, dass unter den gegenwärtigen Therapien die Myelom-Stammzellen am ehesten auf Revlimid, dann auf Dexamethason und schließlich auf Velcadereagieren.
Der Tag endete mit einer großen Poster-Sitzung. Innerhalb des Saals, wo die Sitzung abgehalten wurde, gab es lange Reihen mit aufgehängten Postern. Der Raum war in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt, die zum einem mehr die Klinik der Erkrankungen, zum anderen das Gebiet der Forschung abdeckten. Es gab zwei Bereiche für das multiple Myelom: eine für die Biologie des Myeloms und eine für die Myelomtherapie. Viele Poster wurden von einem Moderator kommentiert, oder es gab Papierausdrucke der Poster, die mitgenommen werden konnten.
Die wichtigsten Poster der Sitzung befanden sich Bereich "Therapie, ohne Transplantation". Sie berichteten über klinische Studien mit neuen Myelomtherapien.
Es gab vier Poster über Carfilzomib, eine neue Substanz, die ähnlich wie Velcade arbeitet.
Eine Phase 2-Studie über Carfilzomib bei Patienten, die mit Velcade vorbehandelt worden sind, zeigte, dass ungefähr 50 Prozent der Patienten auf die Behandlung ansprachen. Es gab einen minimalen Anteil peripherer Neuropathie (Schmerzen und Mißempfindungen in den Extremitäten), welches eine bekannte Nebenwirkung von Velcade ist.
Eine Phase 2b-Studie zeigte, dass chromosomale Abnormitäten das Ansprechen auf Carfilzomib nicht beeinflussen. Tatsächlich war die Ansprechrate für Patienten mit einer oder mehreren ungünstigen Abnormitäten größer (28 Prozent) als die Ansprechrate für Patienten mit günstigen oder keinen Abnormitäten (24 Prozent).
Langfristige Ergebnisse von vier Studien der Phase 1 und 2 zeigten, dass Carfilzomib auch bei längerer Behandlung gut vertragen wird. Nach mindestens 11 Monaten einer Einfach-Therapie mit Carfilzomib werden 60 Prozent der Patienten nach wie vor behandelt und 30 Prozent sind seit mehr als 1,5 Jahren in Behandlung.
Eine Analyse der Nebenwirkungen in drei klinischen Phase 1 und 2-Studien zeigte, dass Carfilzomib gut vertragen wurde und die Anzahl schwerer Nebenwirkungen sehr niedrig war. Die häufigste schwere Nebenwirkung war Lungenentzündung (3,5 Prozent). Sehr wenige Patienten hatten eine periphere Neuropathie (4 Prozent, 0,4 Prozent wurde als schwere Neuropathie eingestuft).
Es gab drei Poster über Zolinza (Vorinostat), ein Histondeacetylase Hemmstoff, der bereits für einen bestimmten Lymphomtyp zugelassen ist.
Eine Phase 1-Studie von Zolinza in der Kombination mit Revlimid und Dexamethason bei rezidivierten oder refraktären Patienten zeigte, dass 52 Prozent der Patienten mit einer mittleren Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung von 5 Monaten ansprachen. Die häufigsten schweren Nebenwirkungen waren niedrige Blutzellen, Durchfall und Erschöpfung.
Eine andere Phase 1-Studie von Zolinza in der Kombination mit Velcade und Doxil (liposomales Doxorubicin) bei rezidivierten oder refraktären Patienten zeigte eine Gesamtansprechrate von 72 Prozent und eine Ansprechrate von 44 Prozent bei Velcade resistenten Patienten. Niedrige Thrombozytenzahlen waren die häufigste Nebenwirkung.
Zwei Studien bewerteten die Wirkung von Zolinza in der Kombination mit Velcade bei rezidivierten und refraktären Myelompatienten. Die klinische Phase 3-Studie rekrutiert derzeit noch Patienten. Zwischenergebnisse der Studie der Phase 2 weisen darauf hin, dass die Kombination bei Patienten wirksam sein kann, die auf Velcade und Revlimid/Thalidomid refraktär sind.
Es gab ein Poster über Pomalidomid, das nicht die Ansprechrate auf Pomalidomid untersuchte, sondern die Ansprechrate auf weitere Therapien bei Patienten, die bereits einen Rückfall nach Pomalidomid hatten. Die Zahl der Patienten in den Folgebehandlungen war klein. Darüber hinaus wurden die Patienten für die Einteilung in weitere Behandlungen nicht randomisiert. Patienten, die eine Stammzelltransplantation nach Pomalidomid erhielten, hatten die höchste Ansprechrate (75 Prozent). Das Ansprechraten auf Velcade (25 Prozent) und Revlimid (29 Prozent) waren ähnlich.
Es gab eine Phase 1-Studie, die Elotuzumab, einen monoklonalen Antikörper, untersucht hat. Er wurde in Kombination mit Revlimid und niedrig dosiertem Dexamethason bei rezidivierten oder refraktären Myelompatienten geprüft. Ein teilweises Ansprechen oder besser wurde in 82 Prozent der Patienten gesehen, die mit Revlimid vorbehandelt waren, und in 96 Prozent der Patienten, die noch nicht mit Revlimid behandelt worden waren. Die Behandlung dauerte ungefähr 7 Wochen, bevor die Patienten ansprachen und die mittlere Zeit bis zur Krankheitsprogression ist noch nicht erreicht worden. Die häufigsten schweren Nebenwirkungen waren niedrige Leukozyten- und Thrombozytenzahlen.
Es gab auch zwei Poster über Lorvotuzumab mertansine (IMGN901), ein krebstötendes Medikament, das an einen Antikörper gebunden ist, der das Medikament in die Krebszelle einschleust.
Momentan läuft eine Phase 1-Studie von Lorvotuzumab Mertansine in schwer vorbehandelten Myelompatienten, mit der Absicht, die maximale tolerierte Dosis und Wirksamkeit des Medikamentes zu bestimmen. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass 18 Prozent der Patienten mindestens ein teilweises Ansprechen erreichten. Ungefähr die Hälfte der Patienten erhält die Therapie seit mindestens 3 Monaten und 7 Prozent seit mehr als einem Jahr. Einige Patienten hatten schwere Erschöpfung, Nierenversagen, Schwäche oder Muskelprobleme.
Eine andere laufende Phase1-Studie von Lorvutuzumab Mertansine in der Kombination mit Revlimid und Dexamethason bei rezidivierten oder refraktären Patienten soll die maximale tolerierte Dosis von Lorvutuzumab Mertansine in dieser Kombination bestimmen. Die Studie rekrutiert noch Patienten. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass mit der niedrigsten getesteten Dosis zwei von drei Patienten ein teilweises Ansprechen erreichen und bei der Therapie bleiben.
Myeloma Beacon wird weiter regelmäßig vom ASH-Kongress berichten.
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