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Bedeutung von Faktoren, die die Überlebens-chancen beim Multiplen Myelom beeinflussen, verändern sich mit zunehmendem Patientenalter

Kein Kommentar Von ; Übersetzt von Sabine Schock
Veröffentlicht: 13. November 2019 11:10
Bedeutung von Faktoren, die die Überlebens-chancen beim Multiplen Myelom beeinflussen, verändern sich mit zunehmendem Patientenalter

Die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten britischen Studie zeigen, dass sich die rel­a­tive­ Bedeutung von Faktoren, die das Überleben bei Patienten mit multiplem Myelom beeinflussen, mit dem Alter des Patienten ändert.

Insbesondere fanden die Forscher heraus, dass je älter ein Patient bei der Diagnose ist, desto mehr wird sein Überleben durch seinen Gesamtgesund­heits­zustand und wie fortgeschritten sein multiples Myelom bei Diagnose ist, beeinflusst.

Im Gegensatz dazu nimmt der Einfluss der hochriskanten chromosomalen Abnormitäten auf die Über­lebensrate mit dem Alter des Patienten ab.

Die Studienergebnisse basieren auf einer Datenanalyse für fast 4.000 neu diagnostizierte Patienten mit multiplem Myelom, die an der 2010 begonnenen klinischen Studie „Myeloma XI“ in Großbritannien teilgenommen haben.

Die Studienautoren glauben, dass ihre Ergebnisse für die Behandlung des multiplen Myeloms wichtig sind. Sie empfehlen, dass unterschiedliche Behandlungsansätze für unterschiedliche Altersgruppen in Betracht gezogen werden sollten. Für jüngere Patienten schlagen die Forscher vor, sich darauf zu kon­zentrieren, ob der Patient hochriskoreiche chromosomale Abnormitäten hat oder nicht, während für ältere Patienten der Gesamtgesundheitszustand des Patienten, die Behandlungsart und die Be­hand­lungs­intensität im Vordergrund stehen.

Hintergrund

Bei der Behandlung des multiplen Myeloms wurden in den letzten zehn Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Die Patienten erleben nach Beginn der Behandlung eine längere Remission und ein längeres Überleben.

Es gibt jedoch nach wie vor eine Gruppe von Patienten mit Hochrisiko-Erkrankung, die im Vergleich zum Rest der Patienten mit multiplem Myelom relativ schlecht abschneidet.

Darüber hinaus sind Remissionszeit und Gesamtüberlebensdauer nach wie vor stark an das Alter des Patienten bei Diagnose gebunden. Ältere Myelompatienten verbringen in der Regel nach Beginn ihrer Erstbehandlung weniger Zeit in Remission und ihr Gesamtüberleben ist nicht so lange wie bei jün­ge­ren Myelompatienten.

Faktoren, die zu schlechten Behandlungsergebnissen beim multiplen Myelom beitragen, sind sowohl patientenbedingt, wie z.B. der Gesamtgesundheitszustand eines Patienten, als auch krankheits­be­dingt, wie z.B. ob die Erkrankung eines Patienten eine hochriskante chromosomale Abnormitäten einschließt oder nicht.

Nach Ansicht der britischen Forscher wurde viel Forschung durchgeführt, um die Wirkung chromo­so­ma­ler Abnormitäten auf das Überleben zu beurteilen, und es ist bekannt, dass das Alter einen erheb­li­chen Einfluss auf die Überlebensergebnisse hat (siehe z.B. Abbildung 2 in diesem Beacon-Artikel über das Überleben bei US-Myelompatienten; auf Englisch).

Was jedoch nicht klar ist, ist die Frage, ob die Bedeutung der Patienten- und Krankheitsmerkmale je nach Alter variiert. Die britischen Forscher versuchten daher zu bestimmen, wie sich verschiedene Faktoren bei Myelompatienten, die die gleiche Behandlung erhielten, auf das Überleben in ver­schie­denen Altersstufen auswirken.

Studiendesign

Die Analyse, die die britischen Forscher durchführten, basierte auf Daten aus der Myeloma XI-Studie, einer großen, multizentrischen Phase-3-Studie in Großbritannien. Die Studie umfasste 3.894 neu diagnostizierte Patienten mit multiplem Myelom, die zwischen 2010 und 2016 aus akademischen und Distrikt-Hospitälern in ganz Großbritannien rekrutiert wurden.

Das mittlere Patientenalter betrug 68 Jahre.

Die Patienten erhielten als Erstbehandlung entweder Cyclophosphamid (Cytoxan), Revlimid (Lenali­do­mid) und Dexamethason (CRD) oder Cyclophosphamid, Thalidomid und Dexamethason (CTD). Patienten, die weniger als eine sehr gute partielle Remission erreichten, wurden ran­domisiert (per Zufall eingeteilt) und erhielten entweder Cyclophosphamid, Velcade (Bortezomib) und Dexamethason oder keine weitere Ersttherapie.

Transplantationsfähige Patienten erhielten eine Stammzelltransplantion mit Melphalan.

Nach der Erstbehandlung und, falls relevant, der Stammzelltransplantation wurden die Patienten ran­domisiert und erhielten Revlimid-Erhaltungstherapie oder Beobachtung.

Für ihre Analyse kategorisierten die Forscher die Patienten in vier Altersgruppen: 60 Jahre und jünger, 61 bis 70 Jahre alt, 71 bis 80 Jahre alt und über 80 Jahre alt.

Ebenso kategorisierten sie das Myelom der Patienten in Standardrisiko, ho­hes Risiko und extrem hohes Risiko, basierend auf dem Vorhandensein der chromosomalen Abnormitäten t(4;16), t(14;16), t(14;20), del(17p) und Zugewinn(1q). Das Fehlen dieser chromosomalen Abnormitäten wurde als Standard­risiko, das Vorhandensein einer Abnormität als Hochrisiko und das Vorhandensein von mehr als einer als Ultrahochrisiko definiert.

Für ihre Analyse berücksichtigten die Forscher auch den Gesamtgesundheitszustand der Patienten, den sie anhand von Daten über den "Leistungsstatus" jedes Patienten gemessen haben, eine Varia­ble, die die Fähigkeit eines Patienten widerspiegelt, bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens ohne die Hilfe anderer durchzuführen.

Das in der Myeloma XI- Studie verwendete Maß für den Leistungsstatus stammt von der Weltgesund­heits­organisation (WHO). In der WHO-Skala für den Leistungsstatus ist ein Patient mit einer Punkt­zahl von 0 in der Lage, die täglichen Aktivitäten selbstständig durchzuführen, während ein Patient mit einer Punktzahl von 4 nicht mehr in der Lage ist, Aktivitäten selbst durchzuführen.

Die Forscher verwendeten das pro­gres­sionsfreie Überleben, um die Zeit jedes Patienten in Remission nach Beginn der Behandlung zu messen, und das Krankheitsstadium des Inter­na­tionalen Staging Systems (ISS) eines jeden Patienten wurde als Maß dafür verwendet, wie fortgeschritten die Krank­heit eines Patienten bei Diagnosestellung war.

(Für Ergebnisse wie die aus der Myeloma-XI-Studie ist pro­gres­sionsfreies Überleben in der Regel als die Zeit von der Aufnahme in die Studie bis zur Krankheitsprogression eines Patienten oder durch Tod vor Krankheitssprogression definiert. Für eine Studie, in der neu diagnostizierte Myelompatienten auf­genommen werden, bedeutet dies, dass das mediane pro­gres­sionsfreie Überleben sehr nahe an der medianen Zeit bis zur Progression oder der medianen Zeit in Remission liegt, da nur eine kleine Min­der­heit der neu diagnostizierten Myelompatienten vor einer Krankheitsprogression sterben. Das Ge­samtüberleben für eine Studie wie diese ist typischerweise als die Zeit von der Aufnahme in die Studie bis zum Tod definiert.)

Studienergebnisse

Die Studienautoren fanden heraus, dass das Patientenalter stark mit dem pro­gres­sionsfreien und Ge­samtüberleben verbunden war. Jüngere Patienten unter 60 Jahren hatten eine deutlich längere pro­­gres­­sionsfreie und Gesamtüberlebenszeit verglichen mit Patienten über 80 Jahre: 38,3 Monate vs. 13,6 Monate für die pro­gres­sionsfreie Überlebenszeit und 65,6 Monate vs. 28,9 Monate für das Ge­samt­überleben.

Chromosomenanomalien und Risikostatus

Daten über chromosomale Abnormitäten waren für 1.567 Patienten verfügbar. Die Forscher fanden heraus, dass der Anteil der Pa­tienten mit t(4;14) und del(17p) mit zunehmendem Alter signifikant ab­nahm, während der Anteil der Patienten mit Zugewinn(1q) zunahm. Insgesamt war der Anteil der Pa­tienten mit hochrisikoreichen oder ultrahochriskoreichen chromosomalen Abnormitäten in den ersten drei Altersgruppen konstant, während er bei Patienten über 80 Jahren etwas höher war.

Die Auswirkungen der chromosomalen Abnormitäten auf das Überleben variierten in den verschie­de­nen Altersgruppen. Ob ein Patient ein Standardrisiko, Hochrisiko oder Ultrahochrisiko hatte oder nicht, war bei Patienten im Alter von 60 Jahren oder jünger und bei Patienten im Alter von 61 bis 70 Jahren von Bedeutung, wobei Patienten mit Standardrisiko das längste Überleben hatten, kürzer für Patien­ten mit Hochrisiko und das kürzeste Überleben hatten Patienten mit Ultrahochrisiko.

Bei älteren Patienten hingegen hatte der Risikostatus weniger Einfluss auf das Überleben. So gab es beispielsweise bei Patienten über 80 Jahre im Wesentlichen keine Unterschiede im Überleben zwi­schen denen mit Standardrisiko und Hochrisiko-Erkrankung. Bei Patienten im Alter von 71 bis 80 Jahren hatten Standardrisikopatienten deutlich bessere Überlebenschancen, aber es gab nicht viel Unterschiede bei der Gesamtüberlebensrate zwischen Hochrisiko- und Ultrahochrisikopatienten.

Krankheitsstadium und Gesamtgesundheitszustand

Bei Betrachtung des Krankheitsstadiums, das ebenso wie der Risikostatus eher ein Krankheits- als ein Patientenmerkmal ist, fanden die Forscher heraus, dass es mit dem Alter erheblich variierte. Fort­geschrittenere Erkrankung, die sich in einem höheren Krankheitsstadium widerspiegelt, trat mit zu­neh­mendem Alter der Patienten immer häufiger auf. Weniger als ein Viertel der Patienten unter 60 Jahren hatten bei Diagnose eine Erkrankung im dritten Stadium, während sich fast die Hälfte der Patienten über 80 Jahre im Stadium 3 befanden.

Was den Gesamtgesundheitszustand bei Diagnose betrifft, variierte er ebenfalls mit dem Alter und zwar auf die zuvor beschriebene Weise. Der Anteil der Patienten mit einem ausgezeichneten Gesamt­gesund­heitszustand fiel von 82 Prozent bei Patienten im Alter von 60 Jahren und jünger auf 67 Pro­zent bei Patienten über 80 Jahren.

Relative Bedeutung der Faktoren

Die Forscher bewerteten dann die rel­a­tive­n Auswirkungen von Risikostatus, Krankheitsstadium bei Diagnose und Gesamtgesundheitszustand auf das Überleben in jeder der vier Altersgruppen.

Sie verwendeten dafür ein statistisches Modell, um für jede Altersgruppe zu bestimmen, wie stark jede der drei Variablen das pro­gres­sionsfreie und Gesamtüberleben in der Gruppe beeinflusst.

Anschließend nutzten die Forscher die Ergebnisse ihrer statistischen Modelle, kombiniert mit der Va­riabilität jedes Faktors in jeder Altersgruppe, um zu beurteilen, wie stark jeder Faktor für unter­schied­liche Überlebenszeiten in jeder Altersgruppe verantwortlich ist.

Die Ergebnisse dieses Modellierungsversuchs für das Gesamtüberleben sind in Abbildung 1 unten dargestellt.

Abbildung 1

Alter und Bedeutung der Faktoren, die das Gesamtüberleben beeinflussen

Uninvolved IgG levels during Darzalex mono­therapy
Quelle: Abbildung 5B in Pawlyn, C, et al., Leukemia, Octo­ber 14, 2019.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Veränderung des Krankheitsstadiums wenig Einfluss auf das Über­leben von Patienten unter 60 Jahren hat, aber dann in den drei verbleibenden älteren Alters­gruppen relativ konstant wichtig ist.

Der Einfluss des Gesamtgesundheitszustandes auf das Überleben nimmt ab, wenn man von der Gruppe der jüngsten Myelompatienten zur Gruppe der 61- bis 70-jährigen geht, wird jedoch mit zu­nehmendem Alter immer wichtiger.

Schließlich hat das Vorhandensein oder Fehlen von hochriskanten chromosomalen Abnormitäten den größten Einfluss auf das Überleben junger Myelompatienten und wird mit zunehmendem Patienten­alter weniger wichtig.

Weitere Informationen finden Sie in der Studie von Pawlyn, C. et al., “The rel­a­tive­ importance of factors predicting out­come for myeloma patients at dif­fer­en­t ages: results from 3894 patients in the Myeloma XI trial,” in Leukemia, Octo­ber 14, 2019 (Volltext; auf Englisch).



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