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ASCO 2018 Update - Expertenperspektiven zu den wichtigsten Vorträgen über das multiple Myelom

Kein Kommentar Von ; Übersetzt von Sabine Schock
Veröffentlicht: 7. Juni 2018 16:06
ASCO 2018 Update - Expertenperspektiven zu den wichtigsten Vorträgen über das multiple Myelom

Die diesjährige Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) begann am Freitag, den 1. Juni, und läuft bis zum Dienstag, den 5.Juni.

Jeden Tag gab es Vorträge über das multiple Myelom. Die Hauptveranstaltung mit Vorträgen über das Myelom fand jedoch am Freitag statt. Forschung, die in Vorträgen zusammengefasst wird, ist in der Regel besonders wichtig, entweder weil das Thema selbst wichtig ist oder weil die Ergebnisse auf umfangreichen Beweisen beruhen (z.B. einer umfangreichen klinischen Studie).

Angesichts der potenziellen Bedeutung der am vergangenen Freitag vorgestellten Forschungsergebnisse befragte Myeloma Beacon drei Myelomexperten zu den Vorträgen. Die Spezialisten, die auf mehrere Fragen geantwortet haben, die Myeloma Beacon ihnen gestellt hat, sind:

  • Dr. Francesca Gay von der Universität Turin (Italien)
  • Dr. Prashant Kapoor von der Mayo-Klinik (Rochester, MN)
  • Dr. Heather Landau von Memorial Sloan-Kettering (New York City).

Wie zu erwarten war, hatten Dr. Gay, Dr. Kapoor und Dr. Landau nicht genau die gleichen Eindrücke von den Vorträgen, die sie am vergangenen Freitag besuchten. Allerdings gab es einige wichtige Überein­stimmungen in ihrem Feedback.

Erstens fanden alle drei Spezialisten die Ergebnisse, die für die CAR T-Zelltherapie bb2121 präsentiert wurden, wichtig und in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Es gab aber auch eine gewisse Enttäuschung über die Ergebnisse. Einige der Experten stellten fest, dass selbst ein sehr tiefes Ansprechen bei einigen der Patienten in der Studie nicht zu den andauernden Remissionen führten, auf die sie gehofft hatten.

Zweitens erwähnten alle drei Experten die Signifikanz der Ergebnisse einer Studie, in der einmal wöchent­lich infundiertes Kyprolis (Carfilzomib) und zweimal wöchentlich infundiertes Kyprolis bei rezidivierten Myelompatienten verglichen wurden. Diese Ergebnisse, so die Spezialisten, könnten zu einem deutlich stärkeren Einsatz von einmal wöchentlich infundiertem Kyprolis bei rezidivierten Patienten führen.

Kurzer Überblick über die Präsentationen

Bevor wir uns den Einzelheiten des Feedbacks widmen, das die Spezialisten mit Myeloma Beacon geteilt haben, lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Vorträge zu werfen, die während der Sitzung am Freitag gehalten wurden.

Die Sitzung begann mit Dr. Maria-Victoria Mateos (Universitätsklinikum Salamanca), die die Ergebnisse der Phase-3-"ARROW"-Studie zusammenfasste, die den einmal wöchentlichen und zweimal wöchentlichen Einsatz von Kyprolis plus Dexamethason bei Patienten mit rezidiviertem und refraktärem multiplem Myelom untersuchte (Zusammenfassung #8000; Präsentation [PDF] mit freundlicher Genehmigung von Dr. Mateos; beide auf Englisch).

Dr. Paul Richardson (Dana-Farber, Boston) folgte auf der Tagesordnung und stellte die Ergebnisse der Phase-3-OPTIMISMM-Studie vor (Zusammenfassung #8001; auf Englisch). Die Studie untersuchte die Anwendung von Pomalyst (Pomalidomid, Imnovid), Velcade (Bortezomib) und Dexamethason (Decadron) im Vergleich zu Velcade und Dexamethason bei Patienten, die zuvor mit Revlimid (Lenalidomid) behandelt worden waren,.

Anschließend teilte Dr. Ajai Chari (Mount Sinai, New York) die Ergebnisse einer Untergruppenanalyse der MMY1001-Studie, die den Einsatz von Darzalex (Daratumumab) in Kombination mit Kyprolis und Dexame­tha­son bei rezidivierten Myelompatienten untersucht. Die Subgruppenanalyse konzentrierte sich auf Patienten, die mit Revlimid behandelt wurden und nicht mehr darauf ansprachen ("Revlimid-refraktäre Patienten") (Zusammenfassung #8002; auf Englisch).

Ebenfalls am Freitag präsentierte Dr. Luciano Costa (Universität von Alabama, Birmingham) die Ergebnisse einer Phase-2-Studie mit Venclexta (Venetoclax) plus Kyprolis und Dexamethason bei Patienten mit rezi­di­viertem und refraktärem multiplem Myelom (Zusammenfassung #8004; Präsentation [PDF] mit freund­licher Genehmigung von Dr. Costa; beide auf Englisch).

Auf die Präsentation von Dr. Costa folgte ein Vortrag von Dr. James Berenson (Institute for Myeloma & Bone Cancer Research, Los Angeles), der die Ergebnisse einer Phase1-Studie mit Jakafi (Ruxolitinib), Revlimid und Methylprednisolon bei Patienten mit rezidiviertem und refraktärem multiplem Myelom zu­sam­menfasste (Zusammenfassung #8005; auf Englisch).

Die letzten drei Vorträge der Sitzung befassten sich mit Studien zur Behandlung des Myeloms mit immun­thera­peutischen Ansätzen.

Dr. Nina Shah (Universität von Californien, San Francisco) berichtete von den Ergebnissen einer Phase 2-Studie, die aus einer Kombination aus autologer (eigener) Stammzelltransplantation mit einer allogenen (Spender-) Transplantation von natürlichen Killerzellen aus Nabelschnurblut bestand (Zusammenfassung #8006; ; Präsentation [PDF] mit freund­licher Genehmigung von Dr. Shah; beide auf Englisch)).

In einem mit Spannung erwarteten Vortrag fasste Dr. Noopur Raje (Massachusetts General Hospital, Boston) die aktualisierten Ergebnisse einer Phase 1-Studie mit der Anti-BCMA CAR T-Zelltherapie bb2121 bei Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Multiplem Myelom zusammen (Zusammenfassung #8007; auf Englisch).

Schließlich erörterte Dr. Aviva Krauss die Ergebnisse einer klinischen Studie der US-amerikanischen Ge­sund­heitsbehörde zu Keytruda (Pembrolizumab) beim multiplen Myelom (Zusammenfassung #8008; auf Englisch). Die Analyse konzentrierte sich auf immunologische Nebenwirkungen, die während der Studien beobachtet wurden.

Feedback von Dr. Gay, Kapoor und Landau

Hier sind die Fragen, die Myeloma Beacon Dr. Gay, Kapoor und Landau über die Vorträge am Freitag gestellt hat, begleitet von den Antworten, die sie gegeben haben.

MB. Was waren Ihrer Meinung nach die wichtigsten Ergebnisse der Vorträge am vergangenen Freitag?

Dr. Prashant Kapoor:

Die Dosis-Eskalationsstudie mit BCMA-gesteuerten CAR-T-Zellen beim rezidivierten/refraktären multiplen Myelom zeigt, dass mit einer Dosis von mindestens 150 Millionen Zellen ein schnelles und extrem tiefes Ansprechen zu erreichen ist. Alle 16 Patienten, die in kompletter Remission waren, wurden auch als mini­male Restkrankheit (MRD) negativ, die höchst erwünschte Remissionskategorie, eingestuft. Außerdem betrug das progressionsfreie Überleben für die gesamte Kohorte fast ein Jahr, eine bemerkenswerte Ver­bes­serung gegenüber historischen Daten für eine so stark vorbehandelte Gruppe.

Damit scheint der Weg für die Zulassung der CAR-T-Zelltherapie frei zu sein, sobald die Ergebnisse der laufenden Phase-2-KarMMa-Studie vorliegen.

(Es gibt jedoch auch einige Enttäuschungen im Zusammenhang mit den bb2121-Ergebnissen, wie ich später beschreiben werde. Darüber hinaus sollten sich die Patienten darüber im Klaren sein, dass eine Teilnahme an einer Studie mit einer BCMA-gesteuerten Therapie sie unabhängig vom Grad der BCMA-Expression auf ihren Myelomzellen an der Teilnahme an anderen, zukünftigen Studien mit einem Anti-BCMA-Ansatz - wie der GSK 205678-Studie mit anti-BCMA-konjugierten Antikörpern oder AMG 701 – ausschliessen wird.

Dr. Francesca Gay

Ich denke, dass mit dem zunehmenden Einsatz von Revlimid als Ersttherapie eines der Hauptthemen in naher Zukunft die Behandlung von Revlimid-refraktären Patienten beim ersten Rezidiv sein wird. Basierend auf dieser Erkenntnis glaube ich, dass einige der wichtigsten Ergebnisse, die am vergangenen Freitag vor­ge­stellt wurden, diejenigen aus der OPTIMISMM-Studie, die die Wirksamkeit von Pomalyst, Velcade und Dexa­me­tha­son zeigen, sowie diejenigen der Subanalyse von MM1001 bei Revlimid-refraktären Patienten (die die Wirksamkeit von Darzalex, Kyprolis und Dexamethason zeigen) waren.

Wichtige Ergebnisse waren auch die Ergebnisse der bb1212-Studie und der von Dr. Nina Shah präsen­tier­ten [Nabelschnurblut-natürliche Killerzelle] Studie. Ich denke, diese beiden Studien haben sehr viel­ver­sprechende Ergebnisse. Dies sind erste Ergebnisse, aber die Studien erforschen neue Behandlungs­mo­da­li­täten, die hoffentlich in naher Zukunft das Behandlungsarsenal gegen das multiple Myelom erweitern werden.

MB: Gab es am Freitag Ergebnisse, die Sie besonders überrascht haben?

Dr. Landau:

Dass Kyprolis mit 70 mg/m2 sehr gut verträglich war, überraschte mich. Das bedeutet nicht, dass Ärzte diese Dosierung annehmen sollten, bis sie sich in den häufiger verwendeten Kyprolis-, Revlimid- und Dexamethason (KRD)-Kombinationen als sicher erwiesen hat, aber mit Darzalex scheint dies eine gut verträgliche und effektive Behandlung zu sein. Wir erwarten mehr Daten, um die Sicherheit dieser Dosierung mit immunmodulatorischen Substanzen (wie Revlimid und Pomalyst) zu definieren, aber angesichts der Tatsache, dass 56 mg/m2 zweimal wöchentlich sicher ist, ist es wahrscheinlich sinnvoll, diese Dosierung wöchentlich zu verwenden.

Dr. Gay:

Ich war überrascht von den Ergebnissen der Phase 1-Studie mit Jakafi, Revlimid und Methylprednisolon, die die Wirksamkeit dieser Kombination bei Revlimid-refraktären Patienten zeigten, insbesondere weil die verabreichte Dosis von Revlimid niedriger war als die bei einem Rezidiv empfohlene Dosis.

MB: Gab es Ergebnisse, die Sie enttäuscht haben?

Dr. Landau:

Ich denke, dass die bluebird [bb212] Daten, die weniger als 18 Monate progressionsfreies Überleben bei Patienten zeigen, die eine vollständige Remission erreichten, ein wenig enttäuschend waren. Es sollte jedoch nicht ganz als für bare Münze genommen werden angesichts der sehr fortgeschrittenen Patien­ten­po­pu­lation, die in die Studie aufgenommen wurde.  Es bedeutet nur, dass eine einzige Dosis, die die Patienten, zumindest im Knochenmark, effektiv zytoreduziert, nicht zur Heilung führt. Wenn wir jedoch die effektiv dosierten Patienten mit denen vergleichen, die niedrigere Dosen erhielten, gibt es einen klaren Nutzen. Wir haben noch einen längeren Weg vor uns, bevor wir wissen, wie wir diese Technologie am effektivsten nutzen können.

Dr. Kapoor:

Es ist enttäuschend, dass die Patienten, die in der bb2121-Studie einen MRD-negativen Zustand erreicht hatten, ein medianes progressionsfreies Überleben von nur eineinhalb Jahren hatten.  Nimmt man diese Zahlen im Rahmen einer kürzlich veröffentlichten Meta-Analyse, die den MRD-negativen Zustand mit einem medianen progressionsfreien Überleben von etwa 56 Monaten assoziiert, so ist die Begeisterung für den CAR-T-Zell-Ansatz etwas gedämpft, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass die Meta-Analyse im Gegensatz zur aktuellen Studienpopulation schwer vorbehandelter Patienten nur auf Grundlage einer Patientenpopulation mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom durchgeführt wurde. Die aktuelle Studie stellt daher das Dogma in Frage, dass der MRD-negative Zustand, unabhängig davon, wie und wann er erreicht wird, mit einer überaus guten Prognose gleichzusetzen ist.

MB: Gab es neue Erkenntnisse, die Ihre klinische Praxis verändern könnten?

Dr. Gay:

Basierend auf den Ergebnissen der OPTIMISMM-Studie sowie den Ergebnissen der Phase 3-Studie mit Darzalex, Kyprolis und Dexamethason werden diese Kombinationen außerhalb der Studien verfügbar sein und damit die Behandlungsmöglichkeiten für unsere Patienten erweitern.

Außerdem denke ich, dass Kyprolis, basierend auf den Ergebnissen der ARROW-Studie, immer häufiger einmal wöchentlich bei der Behandlung rezidivierender Patienten eingesetzt wird. Es gab keinen Anstieg der Toxizität, was sehr wichtig ist, und die einmal wöchentliche Verabreichung wird natürlich von den Patienten bevorzugt (es ist also wahrscheinlich, dass es eine bessere Compliance gibt).

Dr. Kapoor:

Die ARROW-Studie hat praxisverändernde Implikationen, die behandelnden Ärzten neue Einblicke in eine alte Problematik der Dosierung von Kyprolis ermöglichen. Die wöchentliche Verabreichung scheint nicht nur bequemer für die Patienten zu sein, sondern führt auch zu höheren und tieferen Remissionen, was wiederum zu einem längeren progressionsfreien Überleben führt.

Darüber hinaus konnte in den von Dr. Chari am Freitag vorgestellten Ergebnissen eine wöchentliche Dosis von 70 mg/m2 sicher mit Darzalex integriert werden, was darauf hindeutet, dass diese Dosis wahrscheinlich die 27 mg/m2 Dosis in Kombinationstherapien ersetzen würde.  Man muss sich natürlich fragen, wie die Ergebnisse der ARROW-Studie mit der Dosis von 70 mg/m2 gegenüber einem Kontrollarm von 56 mg/m2 (die in der ENDEAVOR-Studie getestete Dosis) ausgefallen wären.

Interessanterweise zeigt eine andere Studie, die die 27 mg/m2 Dosis mit der 56 mg/m2 Dosis (SWOG S1304) vergleicht und deren Ergebnisse bei der heutigen Postersitzung auf der ASCO vorgestellt wurden, keinen ähnlichen progressionsfreien Überlebensvorteil mit der höheren Dosis (56 mg/m2) trotz höherer, sehr guter partieller Ansprechraten (VGPR) mit dieser Dosis, woraus einige Leute extrapolieren, dass die wöchentliche 70 mg/m2 Dosis bei rezidiviertem/refraktärem multiplem Myelom wahrscheinlich besser ist als die 56 mg/m2 Dosis.

Dr. Landau:

Ich denke, die einzigen wirklich praxisverändernden Ergebnisse waren die Daten, die die Verabreichung von einmal wöchentlichem Kyprolis unterstützen.  Die derzeitige Dosierung von Kyprolis ist für die Patienten besonders belastend.  Während wir mehr Daten mit anderen Kombinationen benötigen, die in Kürze ver­füg­bar sein werden, stellt dies eine leichter zu handhabende Möglichkeit dar, ein sehr wirksames Medikament zu verabreichen.

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Der erste ASCO 2018-Artikel von Myeloma Beacon enthält mehr Informationen über das Treffen, ein­schließ­lich seiner Organisation, und Links zu Listen mit mündlichen Präsentationen, Präsentationen von Fort­bil­dungs­sitzungen und Postern. Diese Listen werden regelmäßig aktualisiert und enthalten Links zu Präsentationen und Postern, die die Forscher den Lesern von Myeloma Beacon zur Verfügung stellen.

Bitte beachten Sie, dass Dr. Gay, Kapoor und Landau in den Antworten auf die Fragen von Myeloma Beacon normalerweise generische Namen wie "Bortezomib" und "Pomalidomid“ statt Markennamen (wie "Velcade" und "Pomalyst") für die Bezeichnung der Medikamente verwendet haben. Dies ist eine gängige Praxis unter Forschern. Das Feedback der Spezialisten wurde jedoch editiert, um Markennamen in den Fällen zu verwenden, in denen Markennamen eher von vielen Beacon-Lesern erkannt werden.

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