Aktueller Stand der Bildgebungstechniken beim multiplen Myelom
Veröffentlicht: 6. Mai 2014 14:42


Eine Gruppe europäischer Forscher hat kürzlich eine umfassende Rezension der Bildgebungstechniken veröffentlicht, die zurzeit bei der Diagnose und der Nachbeobachtung beim multiplen Myelom verwendet werden.
Die Forscher bewerten die Vor- und Nachteile von mehreren verschiedenen Bildgebungstechniken, einschließlich traditioneller Röntgenstrahlen, Computertomographie (CT), kombinierte Positronenemissionstomographie mit CT (PET/CT) und Kernspinresonanztomographie (MRT).
Den Forschern zufolge ist die Röntgenübersichtsaufnahme des gesamten Körpers nach wie vor die Standardmethode für die Entdeckung von Knochenläsionen. Jedoch weisen sie darauf hin, dass das Ganzkörper-CT die Röntgenuntersuchung des gesamten Skeletts ersetzen kann, weil das CT Läsionen in der Wirbelsäule und Becken besser darstellt.
Die Forscher merken auch an, dass das MRT und PET/CT als zusätzliche diagnostische Methoden für das multiple Myelom erforscht werden. Sie fügen hinzu, dass das MRT die wirksamste Methode ist, um vor jeder Behandlung Knochenläsionen zu entdecken. Das PET/CT kann jedoch für die Bewertung des Behandlungserfolgs nützlicher sein.
Die Forscher erwähnen auch, dass das PET/CT für die Bewertung der minimalen Resterkrankung nützlich sein kann.
Die Forscher schreiben, dass für die Interpretation und Befunderstellung Standards notwendig sind, um die weitere Anwendung dieser Techniken in der täglichen Praxis sicherzustellen.
Der Bericht der europäischen Forscher ist nicht nur deshalb wertvoll, weil er so detailliert ist, sondern auch weil er vollständig und kostenlos online verfügbar ist (siehe unten für die komplette Bezugsinformation des Berichts).
Hintergrund
Myelompatienten erhalten bei ihrer Diagnose zur Beurteilung ihres Krankheitsstadiums normalerweise eine Röntgenübersichtsaufnahmen des gesamten Körpers oder CT-Scans. Diese Techniken finden jedoch hauptsächlich lytische Läsionen, die sich im (harten) Außenknochen eines Patienten, aber nicht im Knochenmark, befinden.
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass MRT-Aufnahmen dagegen eine wirksame Methode zur Identifizierung von Läsionen innerhalb des Knochenmarks sein können. Solche Läsionen werden als fokale Läsionen bezeichnet. Die Anwesenheit fokaler Läsionen spielt eine wichtige Rolle bei Plasmazellerkrankungen.
Die Zahl von fokalen, durch das MRT entdeckten Läsionen ist zum Beispiel mit dem Progressionsrisiko eines Patienten mit schwelendem Myelom (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon; auf Englisch) und mit dem Gesamtüberleben bei Myelompatienten, die eine Stammzelltransplantation erhalten haben, verbunden (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon).
Das spinale MRT wird allgemein zur Entdeckung fokaler Läsionen bei Patienten mit Myelom-Vorgängerkrankheiten wie der monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) oder dem schwelendem Myelom empfohlen.
Darüber hinaus hat sich die PET bei der Bestimmung des Remissionsstatusses von Myelompatienten nach der Stammzelltransplantation als nützlich erwiesen (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon; auf Englisch).
In der aktuellen Studie bewerte eine Gruppe von europäischen Forschern die Vorteile und Nachteile jeder dieser Techniken hinsichtlich des multiplen Myeloms und seiner Vorgängerkrankheiten.
Studiendesign und Ergebnisse
Die Forscher führten eine Recherche in zwei medizinischen Literaturdatenbanken und in den Zusammenfassungen durch, die auf den Jahresversammlungen der amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie präsentiert wurden. Sie filterten Studien heraus, die Bildgebungstechniken bei der Diagnose und Überwachung von Patienten mit multiplem Myelom oder einer seiner Vorgängerkrankheiten verwendeten.
Vorteile und Nachteile der einzelnen Bildgebungstechniken
Traditionelle Röntgenbilder und Röntgenübersichtsaufnahmen des gesamten Körpers
Den aktuellen Richtlinien der Internationalen Myelom Arbeitsgruppe zufolge sollten Röntgenübersichtsaufnahmen des gesamten Körpers als Standard für die Entdeckung lytischer Läsionen bei Patienten betrachtet werden.
Jedoch weisen die Autoren der Rezension darauf hin, dass diese Bildgebungstechnik mehrere Einschränkungen hat. Erstens ist die Röntgenübersichtsaufnahme nicht genau genug, um sich frühzeitig entwickelnde Knochenläsionen zu entdecken; die Knochenbeteiligung wird deshalb unterschätzt.
Außerdem nimmt eine Röntgenübersichtsaufnahme normalerweise mehr Zeit als andere Bildgebungstechniken in Anspruch, weil gewöhnlich mindestens 20 einzelne Aufnahmen gemacht werden.
Außerdem erklären die Forscher, dass die Röntgenübersichtsaufnahme nur bedingt das Ansprechen eines Myelompatienten auf die Therapie bewerten kann, weil sich Knochenläsionen im Anschluss an die Therapie nicht unbedingt verändern.
Computertomographie
Die Forscher bewerteten ebenfalls die Computertomographie (CT), eine andere verbreitete Bildgebungstechnik, die genauer als traditionelle Röntgenstrahlen ist. Das CT kann kleinere Knochenläsionen entdecken und die Frakturgefahr eines Patienten besser bewerten.
Ein CT-Scan kann auch eine extramedulläre Krankheitsbeteiligung entdecken, die vorkommt, wenn Myelomzellen Geschwülste außerhalb der Knochen eines Patienten bilden.
Ein Hauptnachteil des CTs ist den Forscher zufolge die Tatsache, dass der Patient, wie bei der traditionellen Röntgenaufnahme, Röntgenstrahlen ausgesetzt ist.
PET/CT
Eine Positronenemissionstomographie (PET) ist eine Bildgebungstechnik, die das Niveau der Zelltätigkeit im Körper feststellt. Patienten, die ein PET-Scan bekommen, erhalten eine Injektion mit Fluorodeoxyglucose, einem radioaktiven Zuckermolekül (FDG), das sich mehr in Krebszellen als in gesunden Zellen anreichert. Der PET-Scan zeigt dann die Aktivität und die Positionen von Krebszellen in verschiedenen Körperteilen aufgrund des gemessenen Radioaktivitätsniveaus.
Der PET-Scan stellt ausführlichere Ergebnisse zur Verfügung, wenn er mit einem CT kombiniert wird. Ein PET-Scan in Verbindung mit einem CT-Scan wird ein PET/CT genannt.
Die europäischen Forscher weisen darauf hin, dass das PET/CT die direkte Visualisierung der Verbreitung eines Myeloms im Körper eines Patienten, das auch als Tumorlast bezeichnet wird, ermöglicht. Jedoch warnen die Forscher, dass das PET/CT die Tumorlast eines Patienten auch überschätzen kann, wenn der Patient Infektionen oder andere entzündliche Prozesse hat.
MRT
Die Kernspinresonanztomographie (MRI) verwendet magnetische Felder, um Atome im Körper eines Patienten wiederholt anzuregen. Die angeregten Atome strahlen Radiosignale aus, die von den MRT-Scanner gemessen werden.
Atome in verschiedenen Körpergeweben brauchen unterschiedlich lange, um zu ihrem normalen Status zurückzukehren, wenn das magnetische Feld des MRT Scanners an- und abgeschaltet wird. Der Scanner misst diese Unterschiede und verwendet sie, um die Anwesenheit verschiedener Arten von Körpergewebe zu bestimmen.
Ursprünglich hat sich die Forschung, die sich mit MRT-Scans und multiplem Myelom beschäftigte, auf MRT-Scans der Wirbelsäule und des Beckens (axiales MRT) konzentriert. In letzter Zeit haben Studien den potenziellen Wert des Ganzkörper-MRTs untersucht.
Das MRT eignet sich besonders gut zur Visualisierung des Knochenmarks bei Myelompatienten. In dieser Hinsicht ist die Technik genauer als die Röntgenübersichtsaufnahme oder das CT.
Weitere Vorteile des MRT sind den Forschern zufolge die Tatsachen, dass es nicht mit Röntgenstrahlen arbeitet und dass es ein ziemlich schnelles Verfahren ist.
Anwendung der Techniken beim Myelom und mit dem Myelom verwandten Krankheiten
In ihrer Rezension besprechen die Forscher die Anwendung der verschiedenen Bildgebungstechniken beim symptomatischen multiplen Myelom und anderen, mit dem Myelom verwandten Krankheiten.
Solitäres Plasmozytom
Bei Patienten mit einem solitären Knochen-Plasmozytom häufen sich anomale Plasmazellen im Knochenmark an und bilden eine einzelne Geschwulst in einem Knochen des Körpers.
Meistens entwickelt sich die Geschwulst in einem Knochen entlang des Rückgrats. In abnehmender Reihenfolge kann sich die Geschwulst auch im Becken, den Rippen, den oberen Extremitäten, dem Gesicht, dem Schädel, dem Oberschenkelknochen und dem Brustbein entwickeln.
Den Autoren der Rezension zufolge sollte ein Röntgenübersichtsaufnahme und ein axiales MRT bei Patienten mit einem solitären Plasmozytom durchgeführt werden, um die Möglichkeit von zusätzlichen Läsionen auszuschließen.
Außerdem empfehlen sie, dass das PET/CT (wenn verfügbar) durchgeführt wird, da diese Technik sowohl eine extramedulläre, als auch eine medulläre (Knochen-) Beteiligung entdecken kann.
Schwelendes Myelom
Das schwelende, oder asymptomatische, Myelom ist ein Vorgänger des multiplen Myeloms, bei dem der Patient keines der vier aktiven (symptomatischen) Myelomsymptome hat. Diese "CRAB"-Symptome, wie sie allgemein genannt werden, schließen erhöhte Kalziumwerte, Nierenschädigung, Anämie und Knochenläsionen ein.
Das schwelende Myelom ist durch ein Übermaß an monoklonalem Protein im Blut und Urin charakterisiert. Die Diagnose des schwelenden multiplen Myelom wird gestellt, wenn das monoklonale Protein eines Patienten mindestens 3 g/dl oder der Anteil von Plasmazellen im Knochenmark mindestens 10 Prozent beträgt, der Patient jedoch keines der "CRAB"-Symptome aufweist.
Den Autoren der Rezension zufolge sind diagnostische Bildgebungstechniken bei schwelenden Myelompatienten besonders wichtig, weil sie fokale Knochenläsionen entdecken und prognostische Auskunft über das Risiko eines Progresses geben können.
Die Forscher glauben, dass nach der initalen Bildgebung, die durchgeführt wird, um sicherzustellen, dass ein schwelender Patient kein symptomatisches Myelom hat, das MRT die wirksamste Bildgebungstechnik für solche Patienten ist.
Insbesondere haben Studien gezeigt, dass fokale, durch das MRT entdeckte Läsionen stark mit dem Potential eines Krankheitsprogress zum symptomatischen Myelom assoziiert sind. Jedoch glauben die Forscher, dass es zurzeit nur ungenügende Beweise gibt, um eine aktive Behandlung des schwelenden Myeloms bei Patienten zu rechtfertigen, die fokale Läsionen im MRT aufweisen.
Die Forscher fügen hinzu, dass es ihren Kenntnissen nach zurzeit keine großen Studien gibt, die über den Einsatz des PET/CT beim schwelenden Myelom durchgeführt werden.
Symptomatisches multiples Myelom
Die europäischen Forscher meinen, dass für Patienten mit symptomatischem multiplen Myelom entweder eine Röntgenübersichtsaufnahme oder ein niedrig dosiertes CT zur Diagnosestellung obligatorisch sein sollte.
Jedoch weisen sie darauf hin, dass man herausgefunden hat, dass sowohl das PET/CT als auch das MRT genauer sind und eine höhere Entdeckungsrate von Läsionen bei symptomatischen Patienten zeigen als Röntgenstrahlen und CT allein.
Auf Basis dieser Ergebnisse empfehlen sie, dass das MRT als eine weitere diagnostische Technik betrachtet werden sollte, weil es ausgezeichnete Ergebnisse bei der Darstellung des Rückenmarks und des Beckens liefert.
Außerdem stellen die Forscher fest, dass sowohl das PET/CT als auch das MRT wertvolle prognostische Aussagen geben können. Studien haben zum Beispiel eine Verbindung zwischen der Zahl der Läsionen, die durch jede dieser Bildgebungstechniken bei Diagnose entdeckt werden, und dem erwarteten progressionsfreien und Gesamtüberleben eines Patienten gezeigt.
Studien haben auch gezeigt, dass es einen Einfluss auf die Prognose haben kann, wie das Knochenmark eines Patienten im MRT erscheint. Wenn die Myelomzellen überall im Knochenmark gestreut haben und das Knochenmark im MRT “diffus” erscheint, kann das ein Zeichen einer aggressiveren Krankheit sein.
Andere Studien haben den Wert des MRI und PET/CT für die Beurteilung des Ansprechens eines Myelompatienten auf die Behandlung untersucht. Zurzeit weisen die Ergebnisse darauf hin, dass das PET/CT beim Verfolgen des Ansprechens wirksamer ist als das MRT.
Mindestens zwei Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass Patienten, deren PET/CT-Scans nach der Behandlung weiterhin eine erhöhte Tumorlast (“anomales FDG Uptake”) zeigen, ein größeres Progressionsrisiko und kürzeres Gesamtüberleben haben als Patienten ohne anomales FDG Uptake.
Die Studien über die Anwendung des PET/CT in der Bewertung des Ansprechens sind jedoch auf Patienten beschränkt, die eine Stammzelltransplantation erhalten haben. So fordern die Autoren der aktuellen Studie zusätzliche Forschung über das PET/CT in der Nachbeobachtung von transplantationsungeeigneten Patienten.
Für weitere Informationen, beziehen Sie sich bitte auf die Studie von Caers, J. u. a. “The role of positron emission tomography-computed tomography and magnetic resonance imaging in diagnosis and follow up of multiple myeloma,” in Haematologica, vom 1. April 2014 (Volltext; auf Englisch).
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