Revlimid und sekundäre Malignome: Melphalan könnte schuld sein

Die Ergebnisse einer neuen retrospektiven Studie könnten einige Sorgen von Patienten und Ärzten bezüglich Revlimid und dem Risiko von Zweitmalignomen mindern.
Die Studie deckte auf, dass das Risiko eines Zweitmalignoms infolge der Behandlung mit Revlimid hauptsächlich dann bestand, wenn ein Patient gleichzeitig mit oralem Melphalan behandelt wurde.
Revlimid (Lenalidomid) schien nicht mit einem erhöhtem Risiko eines Zweitmalignoms verbunden zu sein, wenn es mit Dexamethason oder Cyclophosphamid verabreicht wurde.
Und obwohl die Behandlung mit Revlimid vor oder nach einer Hochdosistherapie mit Melphalan das Risiko eines Zweitmalignoms ebenfalls zu vergrößern schien, war die Zunahme statistisch nicht signifikant und nicht so deutlich wie bei der Einnahme von Revlimid mit oralem Melphalan.
Die Forscher stellten fest, dass Patienten, die Revlimid in Kombination mit niedrig dosiertem, oralem Melphalan erhielten, ein nahezu fünfmal so hohes Risiko hatten, ein Zweitmalignom zu entwickeln, als Patienten, die Melphalan allein erhielten.
Auf Grundlage dieser Ergebnisse schlagen die Forscher vor, dass statt oralem Melphalan Cyclophosphamid oder andere Medikamente, die sich im Wirkmechanismus von Melphalan unterscheiden, in Kombination mit Revlimid für die Behandlung des multiplen Myeloms verwendet werden.
Sie machen keine spezifischen Empfehlungen bezüglich der Anwendung von Revlimid vor oder nach einer Stammzelltransplantation in der aktuellen klinischen Praxis. Stattdessen schlagen sie weitere Studien vor, um die Frage zu beantworten, ob eine längere Einnahme von Revlimid das Risiko von Zweitmalignomen vergrößert, und um die optimale Dauer der Erhaltungstherapie zu bestimmen.
Hintergrund
Im Laufe des letzten Jahrzehnts sind bedeutende Fortschritte in der Behandlung des multiplen Myeloms aufgrund der Einführung der neuen Substanzen Thalidomid, Revlimid, Velcade (Bortezomib) und Kyprolis (Carfilzomib) und Pomalyst (Pomalidomid, Imnovid) gemacht worden.
Da die Myelompatienten wegen dieser verbesserten Behandlungen länger leben, steigt die Sorge über Zweitmalignome.
Viele Faktoren beeinflussen das Risiko einer Person, an Krebs zu erkranken, unter anderem das Alter (das Krebsrisiko steigt mit dem Alter), bereits bestehende Erkrankungen (das Risiko einer weiteren Krebserkrankung ist bei Myelompatienten höher als in der Allgemeinbevölkerung) und Behandlungen, die die Person erhält (mehrere Myelombehandlungen sind bekannt dafür, das Risiko eines Zweitmalignoms zu erhöhen).
Frühere Studien haben gezeigt, dass die langfristige Einnahme von Melphalan das Risiko eines Zweitmalignom bei Myelompatient erhöht.
Neue Studien haben ebenfalls gezeigt, dass neu diagnostizierte Patienten, die eine Revlimid-Erhaltungstherapie im Anschluss an eine Melphalanbehandlung erhalten, mit größerer Wahrscheinlichkeit sekundäre Krebserkrankungen entwickeln als Patienten, die keine Revlimid-Erhaltungstherapie erhielten (siehe verwandte Nachrichten von Myeloma Beacon; auf Englisch).
Gleichzeitig hat eine andere Studie gezeigt, dass Revlimid plus Dexamethason das Risiko sekundärer Krebserkrankungen bei rezidivierten Myelompatienten nicht vergrößert.
Deshalb wollten die Forscher der aktuellen Studie die Beziehung zwischen Revlimid, Melphalan und sekundären Krebserkrankungen bei neu diagnostizierten Myelompatienten analysieren.
Studiendesign
Eine internationale Gruppe von Forschern analysierte retrospektiv die Ergebnisse von sieben klinischen Phase 3-Studien, die die Therapie von Revlimid bei neu diagnostizierten Myelompatienten untersuchten.
Die Studien schlossen insgesamt 3.218 neu diagnostizierte Myelompatienten ein, die behandelt wurden; 81 Prozent der Patienten erhielten Revlimid und 19 Prozent kein Revlimid.
Die Patienten wurden zwischen Januar 2000 und Dezember 2012 für die Studien rekrutiert und waren im Mittel zwischen 65 und 74 Jahren alt.
In den sieben Studien wurden die Patienten mit Revlimid plus niedrig dosiertem, oralem Melphalan (29 Prozent), Revlimid vor oder nach Hochdosis-Melphalantherapie (24 Prozent), Revlimid plus Dexamethason (16 Prozent), Revlimid plus Cyclophosphamid (13 Prozent), Hochdosis- Melphalan (7 Prozent), oralem Melphalan plus Thalidomid (7 Prozent) oder oralem Melphalan allein (5 Prozent) behandelt.
Studienergebnisse
Die Forscher stellten fest, dass 3 Prozent der Patienten, die Revlimid erhielten, und 3 Prozent der Patienten, die kein Revlimid erhielten, Zweitmalignome entwickelten.
Jedoch zeigte eine weitere Analyse, dass nach drei und fünf Jahren die Zweitmalignomraten - besonders die Raten sekundärer Blutkrebserkrankungen - für die Patienten höher waren, die mit Revlimid behandelt wurden.
Nach drei Jahren hatten 3,9 Prozent der Patienten mit Revlimid und 3,3 Prozent der Patienten ohne Revlimid sekundäre Krebserkrankungen entwickelt. Insbesondere hatten 1,4 Prozent der Patienten mit Revlimid eine sekundäre Blutkrebserkrankung entwickelt im Vergleich zu 0,4 Prozent der Patienten ohne Revlimid.
Nach fünf Jahren hatten 6,9 Prozent der Patienten mit Revlimid und 4,8 Prozent der Patienten ohne Revlimid sekundäre Krebserkrankungen entwickelt. Insbesondere hatten 3,1 Prozent der Patienten mit Revlimid eine sekundäre Blutkrebserkrankung entwickelt, im Vergleich zu 1,4 Prozent der Patienten ohne Revlimid.
Die Forscher fanden auch heraus, dass Patienten, die Revlimid für mehr als 24 Monate erhielten, mit größerer Wahrscheinlichkeit sekundäre Blutkrebserkrankung und solide Tumore entwickeln als diejenigen, die Revlimid für weniger als 24 Monaten erhielten.
Einfluss anderer Behandlungen
Die Forscher schreiben den Unterschied bei den sekundären Blutkrebsraten hauptsächlich einem vergrößerten Risiko bei Patienten zu, die gleichzeitig sowohl Revlimid als auch orales Melphalan erhielten, im Vergleich mit Revlimid in Kombination mit Cyclophosphamid oder Dexamethason oder Revlimid vor oder nach einer Hochdosistherapie mit Melphalan.
Sie fanden heraus, dass Patienten, die mit Revlimid plus oralem Melphalan behandelt wurden, eine fast fünfmal so hohe Wahrscheinlichkeit hatten, eine zweite Blutkrebserkrankung zu entwickeln, als diejenigen, die mit Melphalan allein behandelt wurden.
Es gab eine Tendenz zu einem höheren Risiko einer zweiten Blutkrebserkrankung bei Patienten mit Revlimid vor oder nach einer Hochdosistherapie mit Melphalan im Vergleich zu denjenigen, die mit Melphalan allein behandelt wurden. Jedoch war das vergrößerte Risiko nicht statistisch signifikant.
Außerdem hatten Patienten, die mit Revlimid plus oralem Melphalan behandelt wurden, eine mehr als dreifache Wahrscheinlichkeit einer zweiten Blutkrebserkrankung im Vergleich zu denjenigen, die mit Revlimid vor oder nach einer Hochdosistherapie mit Melphalan behandelt wurden.
Einfluss sekundärer Krebserkrankungen auf das Überleben
Die Forscher untersuchten dann den Einfluss sekundärer Krebserkrankungen auf das Gesamtüberleben.
Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 26 Monaten waren 21 Prozent der Patienten gestorben.
Insgesamt war die Mortalität bei den mit Revlimid behandelten Patienten niedriger.
Bei den mit Revlimid behandelten Patienten sind 21 Prozent gestorben; 1 Prozent wegen sekundärer Krebserkrankungen, 6 Prozent wegen Nebenwirkungen und 14 Prozent wegen Progress ihrer Myelomerkrankung.
Bei denjenigen, die nicht mit Revlimid behandelt wurden, sind 24 Prozent gestorben; 1 Prozent wegen sekundärer Krebserkrankungen, 7 Prozent wegen Nebenwirkungen und 17 Prozent wegen Progress.
Es gab eine Tendenz zu einer höheren Mortalität aufgrund sekundärer Malignome in der mit Revlimid behandelten Gruppe. Jedoch war in beiden Gruppen die häufigste Todesursache der Krankheitsprogress, gefolgt von Nebenwirkungen.
Für weitere Informationen, siehe den Originalartikel in der Zeitschrift The Lancet Oncology (Zusammenfassung).
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