Atemwegsinfektionen und Gürtelrose sind mit einem erhöhtem Myelom-Risiko verbunden
Veröffentlicht: 31. Oktober 2013 14:05



Ergebnisse einer neuen Studie zeigen, dass eine Vorgeschichte mit bestimmten Infektionen mit einem erhöhtem Risiko verbunden ist, ein multiples Myelom zu entwickeln.
Die Studie basiert auf Daten von mehr als 15.000 US-amerikanischen Myelompatienten und 200.000 Menschen aus der US-amerikanischen Allgemeinbevölkerung. Infektionen, die Myelompatienten vor weniger als einem Jahr vor ihrer Diagnose hatten, wurden nicht in die Analyse eingeschlossen.
Die Forscher fanden heraus, dass die Leute in der Studie, die mit einem multiplem Myelom diagnostiziert wurden, mit größerer Wahrscheinlichkeit Atemwegsinfektionen oder Gürtelrose ein Jahr oder mehr vor ihrer Diagnose hatten als Personen mit ähnlichem Alter und Geschlecht aus der Allgemeinbevölkerung.
Außerdem war eine Infektionsvorgeschichte auch dann mit einem höheren Risiko einer Myelomdiagnose verbunden, wenn die Forscher nur auf Infektionen schauten, die mehrere Jahre vor der Myelomdiagnose aufgetreten sind.
Diese Ergebnisse - besonders die Bedeutung von Infektionen mehrere Jahre vor einer Myelomdiagnose - weisen darauf hin, dass Infektionen eine Rolle bei der Entwicklung eines multiplen Myeloms spielen können, erklärten die Forscher. Bakterien oder Viren, die Infektionen verursachen, können eine direkte Rolle bei der Verursachung eines Myeloms spielen oder ihr Einfluss kann indirekt sein, vielleicht durch die von ihnen verursachte Entzündung.
Die Autoren bemerken jedoch, dass ihre Ergebnisse auch ein Hinweis darauf sein könnten, dass das Myelom, selbst im frühesten Stadium, das Immunsystem eines Patienten negativ beeinflusst und der Patient dadurch anfälliger für Infektionen wird. Die Infektionen „können stattdessen eine Manifestation einer zu Grunde liegenden Störung des Immunsystems, die bereits mehrere Jahre vor der Myelomdiagnose besteht, und damit ein Teil der natürlichen Krankheitsgeschichte sein."
Hintergrund
Es ist bekannt, dass Patienten mit multiplem Myelom wegen ihres schwachen Immunsystems anfälliger für Infektionen sind. Krebsbefallene Myelomzellen sammeln sich im Knochenmark eines Patienten an, wo sie die Produktion von gesunden roten und weißen Blutzellen einschränken. Da Leukozyten für die Produktion von Antikörpern verantwortlich sind, wird die Fähigkeit des Körpers, Pathogene zu bekämpfen, eingeschränkt.
Es ist weniger klar, ob eine lange Vorgeschichte von bestimmten Infektionen mit einem erhöhten Myelom-Risiko verbunden ist.
Einerseits gibt es mehrere Studien, die zeigen, dass eine Vorgeschichte mit Lungenentzündungen mit einem höheren Risiko verbunden ist, sowohl ein multiples Myelom als auch eine monoklonale Gammopathie unbekannter Signifikanz (MGUS) zu entwickeln.
Andererseits sind die Ergebnisse für mehrere andere Infektionen und ihre potenzielle Verbindung mit der Entwickelung eines Myeloms weniger konsistent – zum Teil, weil frühere Studien durch kleine Stichproben begrenzt sind.
Deshalb beschlossen die Autoren der aktuellen Studie, Aufzeichnungen für sehr große Stichproben von Myelompatienten und gesunden Personen zu analysieren, um zu bestimmen, ob es eine Verbindung zwischen einer bestimmten Infektionsvorgeschichte und der Entwicklung eines multiplen Myeloms gibt.
Studiendesign
Für ihre Studie verwendeten die Forscher von der Queens University in Belfast und dem US-amerikanischem National Cancer Institute (NCI) Daten von zwei verschiedenen Quellen gestützt.
Das erste war die SEER-Medicare Datenbank vom NCI. Das NCI hat die SEER-Medicare Datenbank durch die Verbindung von Surveillance, Epidemiology and End Resultats (SEER) [Patientenaufzeichnungen von Kontrolluntersuchungen, der Epidemiologie und den Endergebnissen], die eine Schlüsselquelle der US-amerikanischen Krebsstatistik darstellt, und dem US-amerikanischen Medicare-Programm, das föderalistisch geförderte Krankenversicherungssystem für US-amerikanische Bürger, die 65 Jahre und älter sind, geschaffen.
Die SEER-Medicare-Datenbank lieferte die Daten von 15.318 Myelompatienten, die zwischen 1992 und 2005 diagnostiziert wurden und die zur Zeit ihrer Diagnose 66 Jahre oder älter waren. Ungefähr zwei Drittel der Myelompatienten (64 Prozent) wurden zwischen 1999 und 2005 diagnostiziert.
Mit Hilfe der Medicare-Daten in der SEER-Datenbank konnten die Forscher bestimmen, wie oft jeder Patient in der Datenbank ein Krankenhaus oder eine Arztpraxis in den Jahren vor der Myelomdiagnose wegen einer Infektion besucht hat.
Die zweite Datenquelle, die die Forscher verwendeten, war eine dazugehörige Medicare-Datenbank, die das NCI spezifisch entwickelt hat, um Vergleiche mit der SEER-Medicare-Datenbank zu ermöglichen. Diese dazugehörige Medicare-Datenbank schließt Aufzeichnungen für eine zufällig ausgewählte Stichprobe von 5 Prozent aller Medicare-Begünstigten im Laufe der relevanten Periode ein.
Von dieser Vergleichsdatenbank haben die Forscher Informationen von 200.000 Menschen ausgewählt, die in bezug auf Alter und Geschlecht mit den Myelompatienten in der SEER-Medicare-Datenbank vergleichbar sind.
Das mittlere Alter der Patienten im SEER-Medicare-Datensatz und Medicare-Datensatz lag zwischen 75 bis 79 Jahren. Die Forscher weisen in ihrem Artikel darauf hin, dass aufgrund des höheren Alters der Patienten in ihrer Studie die Ergebnisse nicht unbedingt auf alle Myelompatienten verallgemeinert werden können. In den Vereinigten Staaten beträgt das mittlere Alter eines Myelompatienten bei Diagnose 69 Jahre.
Die Analyse der Studie wurde auf Infektionen beschränkt, die mehr als 13 Monate vor der Diagnose eines Myelompatienten auftraten. Die Forscher haben sich sowohl die komplette verfügbare Infektionsvorgeschichte eines Patienten 13 oder mehr Monate vor Diagnose als auch die Infektionen während vier definierter Zeitspannen vor Diagnose angeschaut: 13 bis 30 Monate, 31 bis 48 Monate, 49 bis 72 Monate und mehr als 72 Monate (sechs Jahre).
Die von den Forschern analysierten Infektionen schlossen Atemwegsinfektionen, gastro-intestinale Infektionen, Harnwegsinfektionen und Hautinfektionen ein.
Studienergebnisse
Insgesamt war es wahrscheinlicher, dass Myelompatienten eine Vorgeschichte mit Atemwegsinfektionen (wie Bronchitis, Grippe, Lungenentzündung und Nasennebenhöhleninfektionen), Gürtelrose (Herpes Zoster), und Blasenentzündung (untere Harnwegsinfektion) als die Allgemeinbevölkerung hatten.
Die Forscher beobachteten die stärkste Verbindung zwischen einer Vorgeschichte mit Gürtelrose und der Entwicklung eines multiplen Myeloms. Myelompatienten hatten eine 39 Prozent größere Wahrscheinlichkeit, eine Vorgeschichte mit Gürtelrose zu haben, als Mitglieder gleichen Geschlechts und Alters der Allgemeinbevölkerung.
Eine Vorgeschichte mit Lungenentzündung war bei Myelompatienten um 27 Prozent und Grippefälle um 18 Prozent wahrscheinlicher als in der Allgemeinbevölkerung.
Andererseits war eine Vorgeschichte mit Schnupfen, Niereninfektion oder gastrointestinalen Infektionen bei Myelompatienten nicht deutlich wahrscheinlicher als in der Allgemeinbevölkerung.
Die Forscher fanden auch, dass die Vorgeschichte mit Gürtelrose, Lungenentzündung, Bronchitis und Nasennebenhöhleninfektion bei Myelompatienten, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, über alle spezifischen Zeitabschnitte vor Diagnose durchweg wahrscheinlicher war- sogar sechs Jahre und länger vor der Diagnose.
Die Forscher fanden, dass Myelompatienten besonders in der Periode 31 bis 48 Monate vor der Diagnose mit höherer Wahrscheinlichkeit als die Allgemeinbevölkerung Gürtelrose (eine um 48 Prozent größere Wahrscheinlichkeit), Lungenentzündung (41 Prozent), Bronchitis (29 Prozent) und Nasennebenhöhlen-Infektionen (28 Prozent) hatten.
Die Autoren bemerken, dass diese Ergebnisse zeigen könnten, dass das Immunsystem eines Myelompatienten während der Periode 31 bis 48 Monate vor Diagnose am schwächsten ist.
Oder sie könnten zeigen, dass bestimmte Infektionen während dieser Periode besonders wahrscheinlich Prozesse anstoßen, die schließlich zur Entwicklung eines multiplen Myelom führen.
Infektionen als Risikofaktor für das Myelom?
Die Studienautoren sind sich in ihrem Artikel sicher, dass ihre Ergebnisse nicht beweisen, dass Infektionen zu einem größeren Myelomrisiko führen. Sie geben zu, dass es möglich ist, dass diese Kausalität in die umgekehrte Richtung verläuft - d. h. dass ein undiagnostiziertes, sich entwickelndes multiples Myelom das Infektionsrisiko einer Person (vor der Myelomdiagnose) vergrößern könnte.
Dennoch neigen die Forscher dazu, ihre Ergebnisse so zu interpretieren, dass Infektionen tatsächlich das Risiko eines multiplen Myeloms vergrößern können.
Ein Schlüsselergebnis aus ihrer Studie, das ihrer Meinung nach für diese Ansicht spricht, ist die Tatsache, dass Myelompatienten mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Vorgeschichte mit Infektionen weit vor ihrer endgültigen Diagnose haben. Es erscheint "unwahrscheinlich", argumentieren die Forscher, dass das undiagnostizierte Myelom zu einem höheren Infektionsrisiko führt, lange bevor die Krankheit symptomatisch ist.
Außerdem bemerken die Forscher, dass die Gürtelrose, die in ihrer Studie besonders mit der späteren Entwicklung eines Myeloms verbunden ist, auch mit anderen Blutkrebserkrankungen, einschließlich bestimmten Lymphom- und Leukämieformen, verbunden ist.
Die Autoren weisen auch darauf hin, dass Entzündungen (Reaktionen des Körpers auf Infektionen) als ein Promotor von mehreren Krebsartes bekannt ist. Diesbezüglich weisen die Forscher auf ihre Entdeckung hin, dass verschiedene Infektionen mit einem erhöhten Myelomrisiko verbunden sind und die meisten Infektionen nicht auf einen einzelnen Virus oder Bakterium zurückzuführen sind.
Die Forscher schreiben, dass das darauf hinweist, dass „die Entzündung und nicht der Kontakt zu einem bestimmten Antigen die Ursache der bösartigen Transformation zu einem multiplen Myelom sein kann."
Für weitere Informationen, beziehen Sie sich bitte auf die Studie im International Journal of Cancer (Zusammenfassung; auf Englisch).
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