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Solitäres Plasmozytom des Knochens - Was jeder Patient wissen sollte

Kein Kommentar Von ; Übersetzt von Sabine Schock
Veröffentlicht: 8. Mai 2012 21:06
Solitäres Plasmozytom des Knochens - Was jeder Patient wissen sollte

Ein solitäres Knochenplasmozytom ist eine Plasmazellerkrankung, die durch die Bildung einer einzelnen Geschwulst im Knochen charakterisiert ist.

Dieser Tumor, auch Plasmozytom genannt, entsteht, wenn sich anomale Plasmazellen, die im Knochenmark gebildet werden, auf der Innenfläche des Knochens anhäufen. Bei Patienten mit solitärem Knochenplasmozytom sind diese bösartigen Plasmazellen weder diffus oder in Nestern über das gesamte Knochenmark noch in anderen Geweben, die den Knochen umgeben, verteilt.

Der folgende Artikel stellt eine ausführliche Einführung in das Thema des solitären Plasmozytoms zur Verfügung, der u.a. die folgenden Fragen beantwortet: Was ist ein solitäres Plasmozytom, wie wird es diagnostiziert, wie wird es behandelt und wie hängt es mit dem multiplen Myelom zusammen?

Was ist ein solitäres Plasmozytom?

Bei Patienten mit einem solitären Plasmozytom häufen sich im Knochenmark befindliche, anomale Plasmazellen in einem Knochen des Körpers an und bilden einen einzelnen Tumor.

Meistens entwickelt sich die Geschwulst in einem Knochen entlang der Wirbelsäule. In abnehmender Frequenz kann sich die Geschwulst auch im Becken, den Rippen, den oberen Extremitäten, dem Gesicht, dem Schädel, dem Oberschenkelknochen und dem Brustbein entwickeln.

Im Gegensatz zum multiplen Myelom sind beim solitären Plasmozytom nicht überall im Knochenmark oder in den Weichteilen (extrameduläres multiples Myelom) anomale Plasmazellen vorhanden. In einigen Fällen jedoch können Patienten mit dem solitären Plasmozytom auch eine geringe Anzahl von anomalen Plasmazellen im Knochenmark haben (siehe "Diagnose").

Laut Dr. Vincent Rajkumar von der Mayo Klinik in Rochester, Minnesota, verstehen die Experten nicht völlig, wie entartete Plasmazellen (die im Knochenmark entstehen) im Stande sind, vom Knochenmark bis an die Oberfläche des Knochens zu kommen und dort ein solitäres Plasmozytom zu bilden.

Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Lage der Geschwulst diejenige Position ist, an der die anomalen Plasmazellen im Knochenmark entstanden sind.

"Das ist der Grund, weswegen ein solitäres Plasmozytom durch alleinige Bestrahlung des Tumors in 50 Prozent der Fälle heilbar ist," sagte Dr. Rajkumar.

Patienten mit solitärem Plasmozytom haben nicht die typischen Symptome eines Myeloms, wie niedrige rote Blutkörperchen, erhöhte Kalziumwerte im Blut oder Nierenschädigungen, obwohl Patienten mit einem solitären Plasmozytom zu einem multiplem Myelom fortschreiten können (siehe "Prognose").

Diagnose

Die Diagnose bei einem Patient mit solitärem Plasmozytom erfolgt mit einer Biopsie, die anomale Plasmazellen innerhalb dieser Knochengeschwulst zeigt.

Jedoch muss ein Knochenscreening, eine Positron-Elektrontomographie (PET), eine niedrig dosierte (low-dose) Computertomographie oder Kernspinresonanztomographie (MRT) durchgeführt werden, um andere Knochen- oder Weichteilbeteiligungen auszuschließen. Die Ärzte empfehlen PET oder  MRT-Scans der kompletten Wirbelsäule und des Beckens, um auszuschließen, dass es keine anomalen, außerhalb des solitären Tumors liegenden Plasmazellgeschwülste gibt. Bisherige Studien haben gezeigt, dass ein Drittel der Patienten, die mit einem solitären Plasmozytom diagnostiziert wurden, weitere Plasmazellgeschwülste in anderen Teilen des Körpers hatten, die durch PET, niedrig dosierter CT oder MRT nachgewiesen werden konnten.

Außerdem müssen Blutproben auch keine der mit dem Myelom verbundenen Eigenschaften, wie niedrige rote Blutkörperchen, erhöhte Kalziumwerte im Blut oder erhöhte Nierenwerte, bei Patienten mit einem solitären Plasmozytom zeigen.

Monoklonale Proteine im Blut oder Urin sind bei 30 Prozent bis 75 Prozent der Patienten mit solitärem Plasmozytom vorhanden. Diese Proteine werden durch anomale Plasmazellen erzeugt und werden häufig in Blutproben gemessen, um den Verlauf von Plasmazellneoplasien, wie das multiple Myelom, zu verfolgen.

Patienten mit solitärem Plasmozytom, die auch monoklonale Proteine im Blut oder Urin aufweisen, werden anders diagnostiziert, aber genauso behandelt wie Patienten, die keine monoklonalen Proteine haben.

Wenn der Patient weniger als 10 Prozent anomaler Plasmazellen im Knochenmark hat, wird er mit solitäres Plasmozytom mit monoklonaler Gammopathie unbekannter Signifikanz diagnostiziert, eine häufige Vorläufererkrankung des Myeloms.

Wenn der Patient jedoch mehr als 10 Prozent anomaler Plasmazellen im Knochenmark hat, wird er mit dem multiples Myelom Stadium I diagnostiziert.

Krankheitshäufigkeit (Prävalenz)

Etwa 5 Prozent aller Plasmazellneoplasien sind solitäre Plasmozytome. In den Vereinigten Staaten werden jedes Jahr ungefähr 450 neue Fälle des solitären Plasmozytoms diagnostiziert. Männer werden zweimal so häufig diagnostiziert wie Frauen.  Das solitäre Plasmozytom kommt meistens bei Afroamerikanern und am seltensten bei Asiaten und pazifischen Inselbewohnern vor.

Das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 55 bis 65 Jahre im Vergleich zu einem mittlerem Alter von 71 Jahren für mit multiplem Myelom diagnostizierte Patienten.

Symptome

Das häufigste Symptom beim solitären Plasmozytom sind Schmerzen an der Geschwulststelle infolge der Knochenzerstörung durch die eindringenden Plasmazellen.

Einige Patienten können auch einen Bruch an der Geschwulststelle erleiden. Patienten mit Kompressionsbrüchen im Wirbelbereich haben häufig schwere Spasmen und Rückenschmerzen.

Laut Dr. Rajkumar sind Schmerzen oder Brüche an der Geschwulststelle charakteristische Symptome eines solitären Plasmozytoms, spezifischere Symptome hängen davon ab, welcher Knochen beteiligt ist.

"Zum Beispiel kann ein solitäres Plasmozytom im Rücken aus dem Wirbel herauswachsen und dann eine Rückenmarkskompression und Lähmung verursachen, während  ein solitäres Plasmozytom in der Rippe Schmerzen beim Atmen verursachen kann." sagte Dr. Rajkumar.

Behandlung

Strahlentherapie

Die primäre Behandlung für Patienten mit einem solitären Plasmozytom ist die lokale Bestrahlung des Tumors.

Eine rückblickende Studie, die 206 Patienten mit einem solitären Plasmozytom umfasste, konnte zeigen, dass Patienten, die eine lokale Strahlentherapie erhielten, eine niedrigere Rückfallrate (12 Prozent) hatten als Patienten, die keine Bestrahlung erhielten (60 Prozent).

Jedoch ist die ideale Strahlendosis in der Literatur umstritten. Bisher veröffentlichte Studien haben über ideale Dosen im Bereich von 30 Gray (Gy) bis  60 Gy berichtet, obwohl die meisten Radioonkologen Dosierungen zwischen 40 Gy und 50 Gy empfehlen. Gray ist die Strahlendosis, die die absorbierte Energie pro Einheitsmasse des Gewebes ausdrückt.

"Unsere Bestrahlungsexperten empfehlen 40 Gy, so wie es an den meisten Zentren praktiziert wird,“ sagte Dr. Raymond Alexanian vom MD Anderson Cancer Center in Houston.

Evidenzbasierte Richtlinien, die vom United Kingdom Myeloma Forum veröffentlicht wurden, empfehlen mindestens 40 Gy verteilt auf 20 Strahlensitzungen. Sie empfehlen auch, dass die Bestrahlung den kompletten Tumor plus einen Rand von mindestens 2 cm um das durch MRT entdeckte Tumorgebiet umfassen sollte. Für Tumore, die größer als 5 cm sind, kann eine höhere Dosis (bis zu 50 Gy über 25 Sitzungen) verwendet werden.

Operation

Operation ist selten notwendig, aber kann für Patienten erforderlich sein, die Strukturinstabilitäten oder Missbildungen im Knochen haben, die sich aus der Geschwulst ergeben.

In diesen Fällen kann die Strahlentherapie verzögert werden, wird jedoch dennoch nach der Operation eingesetzt.

Chemotherapie

Laut Literatur ist die Anwendung von Chemotherapie als eine zusätzliche oder vorbeugende  Maßnahme, auch adjuvante Chemotherapie genannt, für Patienten mit einem solitären Plasmozytom umstritten. Während einige Studien keinen Vorteil gezeigt haben, zeigen andere, dass die adjuvante Chemotherapie die Zeit zur Progression zum Myelom verzögert oder verhindert.

Eine kleine, rückblickende Studie mit 32 Patienten mit solitärem Plasmozytom zeigte, dass die adjuvante Chemotherapie die mittlere Progressionszeit zum Myelom von 29 Monaten auf 59 Monaten verzögerte. Jedoch verminderte die Chemotherapie die Progressionsfrequenz nicht.

Eine andere kleine Studie mit 53 Patienten mit solitärem Plasmozytom zeigte, dass Patienten, die Strahlentherapie plus Chemotherapie erhielten, nach neun Jahren eine deutlich höhere krankheitsfreie Überlebensrate hatten als Patienten, die nur Strahlentherapie erhielten.

Weil diese Studien klein und deshalb nicht beweiskräftig sind, glauben einige Ärzte, dass es zurzeit keine Rolle für adjuvante Chemotherapie in der Behandlung des solitären Plasmozytom gibt. Stattdessen empfehlen sie, Patienten nach der initialen Strahlentherapie zu beobachten.

Laut Dr. Rajkumar gibt es zurzeit keine Daten von randomisierten Studien, die den Einsatz der adjuvanten Chemotherapie in der Behandlung des solitären Plasmozytom unterstützen.

"Wir planen klinische Studien mit der adjuvanten Chemotherapie [in Patienten mit dem solitären Plasmozytom]. Aber, wie mit allen Dingen in der Medizin, können unsere Behandlungen entweder schaden oder helfen; deshalb brauchen wir Phase 3-Daten mit passenden Endpunkten, bevor wir neue Behandlungen in die alltägliche Praxis übernehmen." sagte Dr Rajkumar.

Dr. Alexanian stimmte Dr. Rajkumar zu, dass adjuvante Chemotherapie neben der Bestrahlung nicht als Ersttherapie für das solitäre Plasmozytom eingesetzt werden sollte.

"Da Strahlentherapie für etwa ein Drittel richtig diagnostizierter Patienten [mit solitären Plasmozytom] heilend ist, bevorzuge ich die adjuvante Chemotherapie nicht. [Sie] sollte für ein Rezidiv oder einen Progress vorbehalten sein," kommentierte Dr. Alexanian.

Nachbeobachtung

Die Mayo Klinik empfiehlt, dass Patienten mit solitärem Plasmozytom ein Jahr nach der Bestrahlung alle vier bis sechs Monate ihr Blut- und Urinproteinwerte sowie ihre Blut-, Kreatinin und Kalziumwerte prüfen lassen sollten. Danach sollten die Blut- und Urintests auf einer jährlichen Basis überprüft werden.

Ein Knochenüberblick, MRT-Scan der Wirbelsäule oder Ganzkörper-PET/CT Scan sollte durchgeführt werden, wenn die Blut- oder Urintests die Anwesenheit eines monoklonalen Proteins im Blut zeigen oder wenn vorhandene monoklonale Proteinwerte ansteigen.

Prognose

Das mittlere Gesamtüberleben von Patienten mit solitärem Plasmozytom beträgt 10 Jahre. Etwa 75 Prozent der Patienten leben nach fünf Jahren und 45 Prozent der Patienten leben noch nach 10 Jahren. Krankheitsfreie Überlebensraten nach fünf und 10 Jahren betragen 45 Prozent und 25 Prozent.

Etwa 50 bis 60 Prozent der Patienten, die mit solitärem Plasmozytom diagnostiziert werden, schreiten trotz Strahlentherapie zu einem multiplen Myelom fort.

Laut Dr. Rajkumar sind Patienten, die nach der Strahlentherapie geheilt werden, wahrscheinlich Patienten mit einem wahren solitären Plasmozytom. Andererseits haben Patienten, die nach der Strahlentherapie einen Progress haben, wahrscheinlich schon vor der Therapie ein multiples Myelom gehabt.

"[Der solitäre Tumor] ist wahrscheinlich die erste Knochenmanifestation des Myeloms [bei Patienten, die nach der Strahlentherapie rezidivieren]. Jedoch ist dies aufgrund der Grenzen der radiologischen Diagnostik nicht offensichtlich," sagte Dr. Rajkumar.

Vorhergehende retrospektive Studien haben auch gezeigt, dass zwei Drittel der Patienten mit einem solitären Plasmozytom das multiple Myelom innerhalb der ersten vier Jahre entwickeln, obwohl diese Progression auch erst 13 Jahre nach der Diagnose vorkommen kann.

Man geht davon aus, dass die Progression zum Myelom entweder aus nicht detektierbaren, anomalen Plasmazellen, die außerhalb des Bestrahlungsfeldes lagen, oder aus anomalen Plasmazellen, die nach der Strahlentherapie überlebt haben, entsteht.

Außerdem ist die Anwesenheit des monoklonalen Proteins im Blut ein prognostischer Faktor, der mit dem Fortschreiten zum multiplen Myelom verbunden ist.

"Die Persistenz von monoklonalen Proteinen nach der Strahlentherapie bedeutet offensichtlich die Anwesenheit einer Resterkrankung außerhalb des Strahlenfeldes," sagte Dr. Alexanian.

Eine Studie zeigte, dass Patienten mit solitärem Plasmozytom, deren monoklonales Protein nach der Strahlentherapie verschwand, eine 10-jährige progressionsfreie Überlebensrate von 91 Prozent hatten, im Vergleich zu 29 Prozent für Patienten, die noch monoklonales Protein im Anschluss an die Strahlentherapie aufwiesen.

Eine andere Studie mit 116 Patienten mit einem solitären Plasmozytom zeigte, dass zwei Risikofaktoren einen Krankheitsfortschritt nach fünf Jahren voraussagten. Ein Faktor bestand aus einem persistierenden monoklonalen Proteinwert im Blut über 0,5 g/dl ein bis zwei Jahre nach der Diagnose eines solitären Plasmozytoms, der andere Faktor in einem anomalen Verhältnis an freien Leichtketten zur Zeit der Diagnose.

Patienten, die keinen dieser Risikofaktoren hatten, hatten ein 13-prozentigee Risiko nach fünf Jahren zu einem multiplen Myelom fortzuschreiten. Patienten, die einen dieser Risikofaktor hatten, hatten ein 26-prozentiges Risiko und Patienten, die beide Risikofaktoren hatten, hatten ein 62-prozentiges Risiko.

Andere Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit der Progression zu einem Myelom vergrößern, schließen eine Tumorgröße von mindestens 5 cm, Alter, niedrige Knochendichte (Osteopenie) und schnell wachsende Blutgefäße im Tumorgewebe ein (hochgradige Angiogenese).

Für weitere Informationen siehe die Diskussionen im Myeloma Beacon Forum.

Photo by Aiden Jones on Flickr – some rights reserved.
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