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Einmal wöchentliches, hochdosiertes Kyprolis liefert tieferes Ansprechen und längere Remissionen als zweimal wöchentliches Kyprolis (ASCO & EHA 2018)

By: Boris Simkovich; Published: June 22, 2018 @ 9:57 am | Comments Disabled

Zwischenergebnisse der klinischen Phase-3-Studie "ARROW" zeigen, dass einmal wöchentliches, hochdosiertes Kyprolis zu höheren Ansprechraten und längeren Remissionen bei Patienten mit rezidiviertem / refraktärem Myelom führt als zweimal wöchentliches, niedrigdosiertes Kyprolis (Carfil­zomib).

Dr. Maria-Victoria Mateos präsentierte die Studienergebnisse Anfang des Monats auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2018 in Chicago und am vergangenen Wochenende auf dem Kongress 2018 der European Hematology Association in Stockholm. Zudem wurden die Studien­er­geb­nisse kürzlich in einer medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht (Referenz [1]; auf Englisch).

Die Gesamtansprechrate auf die Medikamentenkombination Kyprolis-Dexamethason, die während der ARROW-Studie getestet wurde, betrug 63 Prozent bei Patienten, die einmal pro Woche hoch­do­sier­tes Kyprolis erhielten, gegenüber 41 Prozent bei Patienten, die zweimal pro Woche niedrig­do­sier­tes Kyprolis erhielten.

Ebenso betrug das mediane progressionsfreie Überleben 11,2 Monate bei einmal wöchentlichen Patienten im Vergleich zu 7,6 Monaten bei zweimal wöchentlichen Patienten.

Teilnehmer der Studie, die Kyprolis einmal pro Woche erhielten, erhielten eine Dosis von 70 mg/m2 pro Infusion, verglichen mit 27 mg/m2 pro Infusion (54 mg/m2 pro Woche) für diejenigen, die Kyprolis zweimal pro Woche erhielten.

Da die einwöchigen Patienten in der Studie jede Woche 30 Prozent mehr Kyprolis erhielten als die zweiwöchentlichen Patienten, ist es nicht verwunderlich, dass die Ansprechraten und das progressionsfreie Überleben in der einwöchigen Gruppe höher waren.

Bemerkenswert war jedoch, dass die Häufigkeit von Nebenwirkungen und unerwünschten Ereig­nis­sen in den beiden Gruppen von Studienteilnehmern ähnlich war. Dieses Ergebnis zog die Aufmerk­sam­keit vieler Myelomexperten auf sich. Bei der jüngsten Beacon-Rezension der Myelom-Präsentationen auf dem ASCO-Treffen [2] stellten beispielsweise sowohl Dr. Heather Landau vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York als auch Dr. Prashant Kapoor von der Mayo Klinik in Minnesota die Sicherheitsergebnisse heraus, als sie die ARROW-Ergebnisse als potenziell "praxisverändernd" bezeichneten.

Dennoch gibt es immer noch Gründe für eine Pause bei den Nebenwirkungen und Sicherheits­ergeb­nissen von ARROW. So gab es beispielsweise in der einmal wöchentlichen, hoch­dosierten Patien­ten­gruppe der Studie fünf behandlungsbedingte Todesfälle gegenüber einem behandlungs­bedingten Tod in der zweimal wöchentlich, niedriger dosierten Gruppe.

Amgen, das Unternehmen, das Kyprolis vermarktet, hofft, dass die ARROW-Ergebnisse Ärzte davon überzeugen werden, dass einmal wöchentliches, hochdosiertes Kyprolis wirksam und sicher ist. Dies würde zwei Haupthindernisse für den weiteren Gebrauch des Medikaments verringern: die Unan­nehm­lichkeiten der zweimal wöchentlichen Infusionen und die Sorge um die Sicherheit und Neben­wirkungen des Medikaments.

Diese Barrieren und der Wettbewerbsdruck führten dazu, dass die Verkäufe von Kyprolis in den USA vom ersten Quartal 2017 bis zum ersten Quartal diesen Jahres stagnierten, während die Verkäufe von konkurrierenden Myelomtherapien wie Pomalyst (Pomalidomid, Imnovid) und Darzalex (Daratu­mu­mab) in den USA weiter stiegen. (Die Verkäufe von Kyprolis in den USA machen fast zwei Drittel des weltweiten Umsatzes des Medikaments aus.)

Hintergrund

Als Kyprolis ursprünglich von der U.S. amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) als neue Behandlung für das multiple Myelom zugelassen wurde, war die empfohlene Dosierung des Medikaments zweimal pro Woche bei einer Dosis von 20 mg/m2 für den ersten Thera­pie­zyklus und dann zweimal pro Woche bei einer Dosis von 27 mg/m2, falls verträglich, für alle nach­folgenden Zyklen.

Seit der Erstzulassung des Medikaments wurden weitere Dosierungssysteme getestet und schließlich von der FDA zugelassen. Alle zugelassenen Dosierungssysteme setzen jedoch die zweimal wöchent­liche Dosierung des Medikaments fort.

Um eine komfortablere Kyprolis-Behandlung zu entwickeln, wurde einmal wöchentliches Kyprolis plus Dexamethason in der Phase 1/2-Studie "CHAMPION-1" (Referenz [3]; auf Englisch) untersucht. In dieser Studie wurde die maximal verträgliche wöchentliche Dosis von Kyprolis auf 70 mg/m2 festgelegt.

Um die einmal wöchentliche Behandlungsoption weiter zu erforschen, initiierte Amgen die Phase 3 ARROW-Studie, um einmal wöchentliches Kyprolis mit der zuvor festgelegten maximal verträglichen Dosis von 70 mg/m2 und zweimal wöchentliches Kyprolis mit der ursprünglich zugelassenen Dosis von 27 mg/m2 zu vergleichen. Kyprolis wurde sowohl in der einmal wöchentlich als auch zweimal wöchentlich verabreichten Dosierung mit Dexamethason kombiniert, und die Studie schloss erneut rezidivierte und refraktäre Myelompatienten ein (wie auch in der CHAMPION-1-Studie).

Studiendesign

Die ARROW-Studie umfasste 478 Patienten, die zwei oder drei Vortherapielinien erhalten hatten und deren vorherige Behandlungen sowohl

1.einen anderen Proteasomeninhibitor als Kyprolis (also Velcade (Bortezomib) in fast allen Fällen) als auch

2.ein immunmodulatorisches Medikament, also entweder Revlimid (Lenalidomid), Pomalyst oder Thalidomid, enthielten.

Der Behandlungszyklus für alle Patienten in der Studie betrug 28 Tage, und die Behandlung wurde bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder einer unannehmbaren Nebenwirkung fortgesetzt.

Die einmal wöchentliche Behandlungsgruppe erhielt Kyprolis intravenös über 30 Minuten an den Tagen 1, 8 und 15 aller Behandlungszyklen (20 mg/m2 am Tag 1 des Zyklus 1 und 70 mg/m2 danach). Die zweimal wöchentliche Behandlungsgruppe erhielt Kyprolis intravenös über 10 Minuten an den Tagen 1, 2, 8, 9, 15 und 16 (20 mg/m2 an den Tagen 1 und 2 des Zyklus 1 und 27 mg/m2 danach). Zusätzlich erhielten alle Patienten 40 mg Dexamethason an den Tagen 1, 8, 15 aller Behandlungs­zyklen plus am Tag 22 der Behandlungszyklen 1 bis 9.

Die ARROW-Studie wurde an 140 verschiedenen Standorten vor allem in Europa durchgeführt, in den USA gab es etwa 10 Standorte.

Studienergebnisse

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Gesamtansprechrate in der Behandlungsgruppe, die ein­mal wöchent­lich hochdosiertes Kyprolis erhielt, höher war als in der Gruppe, die zweimal wöchent­lich niedrigdosiertes Kyprolis erhielt (63 Prozent gegenüber 41 Prozent).

Im einwöchigen Behandlungsarm der Studie erreichten mehr Patienten eine komplette Remission (7,1 Prozent) als im zweimal wöchentlichen Behandlungsarm (1,7 Prozent). Ebenso erreichten mehr Patienten im einmal wöchentlichen Arm mindestens eine sehr gute Teilremission (34 Prozent) als im zweimal wöchentlichen Arm (13 Prozent).

Die einmal wöchentliche Dosierung führte auch zu längeren Remissionen. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 11,2 Monate in der einmal wöchentlichen Gruppe im Vergleich zu 7,6 Monaten in der zweimal wöchentlichen Gruppe.

Es gibt auch einen Trend zur Verbesserung des Gesamtüberlebens bei den Patienten, die die einmal wöchentliche Dosierung erhielten. Allerdings wurden die Patienten in der Studie bisher nur für einen Median von einem Jahr nachbeobachtet. Die Gesamtüberlebensergebnisse sind also noch begrenzt.

Viele Aspekte des Nebenwirkungsprofils waren für die beiden Studienarme ähnlich. Die häufigsten Nebenwirkungen in beiden Behandlungsarmen waren Anämie, Fieber, Bluthochdruck und Müdigkeit, und es gab keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit dieser Nebenwirkungen bei den Pa­tien­tengruppen mit einmal wöchentlicher und zweimal wöchentlicher Gabe.

So wurde beispielsweise bei 21 Prozent der Patienten im einmal wöchentlichen Arm der Studie hoher Blutdruck beobachtet, während es bei 20 Prozent der Patienten im zweimal wöchentlichen Arm der Fall war.

Allerdings traten bei der einmal wöchentlich stattfindenden Behandlung fünf Todesfälle auf (durch Sepsis, akute Lungenverletzung, akutes Lungenversagen und ein Tumorlyse-Syndrom), verglichen mit einem behandlungsbedingten Tod bei der zweimal wöchentlich stattfindenden Behandlung (durch Herzinsuffizienz).

Mögliche Auswirkungen der ARROW-Ergebnisse

Der Umsatz von Kyprolis in den USA blieb vom ersten Quartal 2017 bis zum ersten Quartal 2018 unverändert und ging vom vierten Quartal 2017 bis zum ersten Quartal 2018 sogar zurück.

Die Stagnation der Umsatzentwicklung von Kyprolis in den USA ist für ein vergleichsweise junges Medikament ungewöhnlich (Kyprolis wurde erstmals 2012 in den USA zugelassen). In dem Zeitraum, in dem der Umsatz von Kyprolis in den USA stagnierte, stieg der Umsatz von Pomalyst um fast 40 Prozent und Pomalyst wurde kurz nach Kyprolis in den USA zugelassen. Pomalyst übertrifft Kyprolis im Verhältnis von etwa zwei zu eins sowohl auf dem US-amerikanischen als auch auf dem internationalen Markt.

Das schnelle Wachstum von Darzalex als Myelom-Behandlungsoption wird oft als Grund für die Ver­langsamung des Kyprolis-Umsatzes angeführt, wobei Darzalex zunehmend bei Patienten mit rezi­di­vier­tem Myelom eingesetzt wird, denen in der Vergangenheit Kyprolis verschrieben worden sein könnte.

Der Wettbewerbsdruck von Darzalex ist jedoch nicht die einzige Erklärung dafür, was mit dem US-Umsatz von Kyprolis geschehen ist. Pomalyst, zum Beispiel, wurde in der Vergangenheit auch fast ausschließlich bei Patienten mit rezidivierendem Verlauf eingesetzt, aber das Wachstum der Darza­lex-Verschreibung hat die weitere Verwendung von Pomalyst nicht behindert.

Stattdessen scheint es wahrscheinlich, dass sowohl die Bequemlichkeits- als auch die Sicher­heits­wahrnehmung eine Rolle dabei gespielt haben, was mit der Kyprolis-Verschreibung geschehen ist.

Kyprolis ist ein Infusionsmedikament, das bisher zweimal pro Woche verabreicht werden musste. Pomalyst dagegen ist ein orales Medikament, ebenso wie Ninlaro (Ixazomib), ein Proteasomen­in­hibitor wie Kyprolis, der bei rezidivierten Patienten eine breitere Anwendung findet.

Was die Sicherheit betrifft, so gehen die Bedenken an dieser Front mindestens bis zu dem Zeitpunkt zurück, als die US-Zulassungsbehörde FDA zum ersten Mal die Zulassung des Medikaments in Betracht zog [4]. In jüngerer Zeit wurden sie jedoch durch Studien bestätigt, in denen die mit Kyprolis verbundenen Risiken im Vergleich z.B. zu Velcade festgestellt wurden (siehe Pressemitteilung [5]; auf Englisch).

Die aktuelle US-Medikamenteninformation [6] für Kyprolis unterstützt solche Bedenken, indem sie beschreibt, dass in einer großen Studie, die Kyprolis, Melphalan und Prednison (KMP) mit Velcade, Melphalan und Prednison (VMP) bei neu diagnostizierten Myelom-Patienten vergleicht, die Studien­teil­nehmer, die mit Kyprolis behandelt wurden, fast doppelt so häufig von tödlichen Neben­wir­kungen betroffen waren als diejenigen, die mit Velcade behandelt wurden. Kyprolis-behandelte Patienten in der Studie waren auch etwa dreimal häufiger an Herzinsuffizienz oder Bluthochdruck erkrankt als ihre mit Velcade behandelten Vergleichspatienten (entsprechende Pressemitteilung [7]; auf Englisch).

Die Ergebnisse der ARROW-Studie sind deshalb wichtig, weil sie die Bequemlichkeit und Sicher­heits­bedenken ansprechen, die eine breitere Anwendung von Kyprolis, sowohl bei Patienten mit rezidi­vier­tem als auch neu diagnostiziertem Myelom behindert haben könnten.

Weitere Informationen zu den Ergebnissen der ARROW-Studie finden Sie im zugehörigen ASCO Abstract #8000 [8], EHA Abstract S849 [9], ASCO Präsentationsfolien [10] (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Mateos) oder im aktuellen Fachzeitschriftenartikel, der die Ergebnisse zusammenfasst [1].


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URLs in this post:

[1] Referenz: https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1470204518303541

[2] Beacon-Rezension der Myelom-Präsentationen auf dem ASCO-Treffen: https://myelomabeacon.org/deutsch/2018/06/07/asco-2018-expertenperspektiven-vortrage-multiples-myelom/

[3] Referenz: http://www.bloodjournal.org/content/127/26/3360?sso-checked=true

[4] zum ersten Mal die Zulassung des Medikaments in Betracht zog: https://myelomabeacon.org/news/2012/06/18/fda-very-concerned-about-carfilzomib-kyprolis-safety/

[5] siehe Pressemitteilung: https://myelomabeacon.org/pr/2017/12/28/kyprolis-cardiovascular-toxicity/

[6] US-Medikamenteninformation: https://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2018/202714s019lbl.pdf

[7] entsprechende Pressemitteilung: https://myelomabeacon.org/pr/2016/09/27/clarion-trial-kyprolis-velcade-melphalan-prednisone/

[8] ASCO Abstract #8000: http://abstracts.asco.org/214/AbstView_214_214779.html

[9] EHA Abstract S849: https://learningcenter.ehaweb.org/eha/2018/stockholm/214544/maria-victoria.mateos.once-weekly.vs.twice-weekly.carfilzomib.dosing.plus.html

[10] ASCO Präsentationsfolien: https://myelomabeacon.org/docs/asco2018/8000.pdf

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