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Könnte ein Jahrzehnte altes Antibiotikum Anti-Myelom-Aktivität haben?

By: The Myeloma Beacon Staff; Published: June 14, 2018 @ 8:56 pm | Comments Disabled

Mitten in der jährlichen Konferenzsaison Ende Mai/Anfang Juni, in der viele Ergebnisse von grossen klinischen Studien präsentiert werden, ist es viel­leicht erfrischend zu erfahren, dass ein kleines Forschungsprojekt eine bisher unerforschte potenzielle Myelomtherapie aufgedeckt hat.

Ärzte in Neuseeland haben Anzeichen dafür gefunden, dass Roxi­thro­mycin, ein Antibiotikum, das vor mehr als 30 Jahren erstmals eingesetzt wurde, Antimyelom-Aktivität haben könnte. Die Ärzte teilten ihren Befund in einem im vergangenen Monat veröffentlichten Fallbericht mit.

In ihrem Bericht beschreiben die Ärzte den Fall eines 86-jährigen Mannes, der bei ihnen in Behand­lung war. Bei dem Mann wurde im Juni 2008 ein IgA Lambda schwelendes Myelom diagnostiziert. Nach nur 10-tägiger Behandlung mit dem Antibiotikum Roxithromycin war die M-Spitze des Patienten im vergangenen August deutlich gesunken.

Vor der Behandlung mit Roxi­thro­mycin, die zur Behandlung von Pneumonie verabreicht wurde, betrug die M-Spitze des Patienten 4,6 g/dl (46 g/l).

Nach der Behandlung mit Roxi­thro­mycin betrug die M-Spitze des Patienten 2 g/dl (20 g/l), was einem Rückgang von 57 Prozent entspricht.

Ebenso wichtig ist, dass die Reduktion der M-Spitze des Patienten neun Monate nach der Roxithro­my­cin-Behandlung anhält, wie Dr. Ian Morison, einer der Autoren des Fallberichts, Myeloma Beacon mitteilte.

Ebenso wurde die potenzielle Anti-Myelom-Aktivität von Roxi­thro­mycin nicht nur durch seine Wirkung auf die M-Spitze des Patienten, sondern auch auf den Hämoglobinwert bewiesen.

Vor der Behandlung mit dem Antibiotikum betrug der Hämoglobinwert des Patienten 9,7 g/dl. Nach der Behandlung erreichte sein Hämoglobin 12,3 g/dl und der Anstieg des Hämoglobinwertes besteht seit letztem August.

Dr. Morison, Professor für Pathologie an der Dunedin School of Medicine in Neuseeland, betonte gegenüber Myeloma Beacon, dass dieser Befund, den er und seine Kollegen veröffentlicht haben, "ein Einzelfall eines einzelnen Patienten ist." Aus dem Bericht sollten keine Schlüsse gezogen werden, und zwar nicht nur, weil es sich um einen einzelnen Patienten handelt.

Dr. Morison und seine Kollegen haben einige andere Fälle von Myelompatienten untersucht, die mit Roxi­thro­mycin behandelt wurden und "es gab keine anderen bemerkenswerten Reaktionen" auf das Antibiotikum, sagte er gegenüber Myeloma Beacon.  Dr. Morison bemerkte jedoch auch, dass die meisten dieser anderen Patienten wegen ihres Myeloms vorbehandelt waren, so dass sie weniger wahrscheinlich auf eine Behandlung, einschließlich Roxi­thro­mycin, ansprechen würden.

Hinzu kommt die Erfahrung mit einem anderen Antibiotikum, das Roxi­thro­mycin ähnelt und darauf hindeutet, dass der Befund, den die Forscher in ihrem Fallbericht teilen, mehr als nur eine isolierte Anomalie sein könnte.

Roxi­thro­mycin, Clarithromyzin und andere Makrolid-Antibiotika

Roxi­thro­mycin gehört zur Klasse der Antibiotika, die als Makrolide bezeichnet werden. Mehrere Makrolid-Antibiotika sind den Beacon-Lesern bekannt, darunter Azithromycin (Zithromax) und Erythromycin. Das Makrolid-Antibiotikum von besonderem Interesse ist jedoch Clarithromyzin (Biaxin).

Clarithromyzin ist seit den späten 1990er Jahren Gegenstand einer Reihe von Myelom-Forschungs­studien, als in einer klinischen Studie festgestellt wurde, dass das Antibiotikum eine Antimyelom-Wirkung haben könnte. Mehrere Folgestudien konnten nicht bestätigen, dass Clarithromyzin allein gegen das Myelom wirksam ist. Spätere Studien fanden jedoch heraus, dass Clarithromycin das Ansprechen auf Behandlungen vertieft, wenn das Antibiotikum in Kombination mit anderen Myelom­medikamenten eingesetzt wird.

Viele Myelomexperten führen das tiefere Ansprechen, das erzielt wird, wenn Clarithromyzin mit anderen Therapien kombiniert wird, darauf zurück, dass Clarithromyzin die Aktivität von Dexame­tha­son, das normalerweise in Kombinationstherapien enthalten ist, verlängert. Im Grunde sehen diese Experten das Hinzufügen von Clarithromycin als Äquivalent zur Dosiserhöhung von Dexamethason, einer Strategie, die in der Regel das Ansprechen auf die Behandlung vertieft, aber nicht immer das Gesamtüberleben verlängert.

Deshalb wird Clarithromycin von vielen Myelom-Spezialisten nicht als Teil der von ihnen empfohlenen Behandlung eingesetzt.

Es gibt jedoch eine Reihe von Experten, die Clarithromycin weiterhin in die von ihnen regelmäßig verwendeten Behandlungen aufnehmen, wobei die bekannteste davon das sogenannte "BiRD" ist, das für Biaxin (Clarithromycin), Revlimid (Lenalidomid) und Dexamethason steht.

Diese Clarithromycin-Befürworter glauben, dass das Antibiotikum entweder eine eigene Anti-Myelom-Aktivität hat, oder dass sein Einfluss auf die Aktivität der Kombinationstherapien über die bloße Er­höhung der Dexamethasonswirkung in den Kombinationen hinausgeht.

Könnte Roxi­thro­mycin ein wirksameres Clarithromycin sein?

Der Grund für die besondere Bedeutung des neuseeländischen Roxithromycin-Falls ist, dass Roxi­thro­mycin nicht nur ein enger chemischer Verwandter von Clarithromycin ist, sondern auch leichter in das Blut aufgenommen wird als Clarithromycin und dass es etwa dreimal länger im Körper bleibt als Clarithromycin.

Beide Eigenschaften würden Roxi­thro­mycin gegen das Myelom wirksamer machen als Clarithro­my­zin, selbst wenn es, Molekül für Molekül, nicht aktiver gegen die Krankheit wäre als Clarithromyzin.

Mehr über Roxi­thro­mycin und den Fallbericht

Roxithromycin ist weder in den USA noch in Kanada zugelassen, hat aber in den meisten euro­pä­ischen Ländern und vielen anderen Ländern der Welt, darunter Japan, Korea, Australien, Neu­see­land, Indien, Israel und Südafrika, eine Zulassung.

Die deutsche Medikamenteninformation für Roxithromycin ist hier [1] verfügbar.

Dr. Morison und seine Kollegen erwägen, eine klinische Studie zu organisieren, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Roxithromycin als Myelomtherapie zu beurteilen. Um die Zulassung für eine sol­che Studie zu erhalten, wäre es hilfreich, zusätzliche Fälle zu untersuchen, in denen das Myelom auf die Behandlung mit Roxithromycin angesprochen zu haben scheint. Wenn Ihnen ein solcher Fall be­kannt ist, denken Sie bitte darüber nach, ihn Dr. Morison mit zu teilen. Sie erreichen ihn per E-Mail unter ian.morison@otago.ac.nz.

Für weitere Informationen über das von den neuseeländischen Ärzten berichtete Ansprechen auf Roxithromycin siehe deren Fallbericht, Chai, AY, et al., "Roxithromycin monotherapy inducing a partial response in a patient with myeloma: a case report", Journal of Medical Case Reports, 10. Mai 2018 (Volltext des Artikels [2]; auf Englisch).


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[2] Volltext des Artikels: https://jmedicalcasereports.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13256-018-1636-9

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