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Neue Kriterien für die Diagnose des multiplen Myeloms und verwandter Erkrankungen

By: S. Vincent Rajkumar, M.D.; Published: October 27, 2014 @ 4:10 pm | Comments Disabled

Die International Myeloma Working Group (IMWG) hat aktualisierte Kriterien für die Diagnose des multiplen Myeloms herausgegeben.

Die Kriterien sind in The Lancet Oncology [1] (auf Englisch) veröffentlicht worden und von Empfehlungen für die Überwachung und aktualisierten Kriterien für andere Plasmazellerkrankungen begleitet.

Die neuen diagnostischen Kriterien bedeuten eine Paradigmenverschiebung bezüglich des Verständnisses des multiple Myeloms und werden einen be­trächt­lichen Einfluss auf das Management der Erkrankung haben.

Seit Jahrzehnten verlangte die Diagnose des multiplen Myeloms die Anwesenheit einer “Endorgan-Schädigung," die der zu Grunde liegenden Plasmazellerkrankung zugeschrieben werden konnte. Das heisst, um mit einem multiples Myelom diagnostiziert und eine Behandlung beginnen zu können, mussten Patienten eine oder mehrere der folgenden "CRAB"-Kriterien aufweisen: erhöhte Kalzium­werte (C), Nieren­schädigung (R), Anämie (A) und destruktive Knochenverletzungen (B).

Eines der Probleme dieser Voraussetzung war, insbesondere im Fall des schwelenden multiplen Myeloms, dass die Behandlung der Patienten erst begonnen werden konnte, nachdem der Schaden am Körper bereits angerichtet worden war. In vielen Fällen kann ein solcher Schaden schwer und potenziell irreversibel sein. Während ein ”watch and wait“ (beobachten-und-warten) Ansatz für ein schwelendes Myelom mit nie­drigem Risiko angemessen ist, haben einige mit schwelendem Myelom diagnostizierte Patienten ein solch hohes Progressionsrisiko zum symptomatischen Myelom, dass es keinen Sinn macht, auf die unver­meid­liche Schädigung zu warten, um die Behandlung zu beginnen.

Mit der Verfügbarkeit mehrerer neuer Behandlungsoptionen für das multiple Myelom müssen wir dringend Patienten identifizieren, die von einer Therapie profitieren können, bevor ein ernster Organschaden ein­getreten ist. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass eine frühe Therapie das Leben verlängern kann. Die neuen IMWG-Kriterien ermöglichen den Einsatz von Frühindikatoren zur Diagnose des Myeloms, bevor die CRAB-Symptome auftreten. Sie ermöglichen darüber hinaus den Einsatz moderner Bildgebungs­methoden, um eine frühe Diagnose zu stellen.

Die wichtigsten Änderungen zu den diagnostischen Kriterien für das Myelom sowie andere wichtige Änderungen werden im folgenden aufgeführt.

Aktualisierte Definition des multiplen Myelom

Zusätzlich zu den klassischen CRAB-Eigenschaften erlauben die revidierten IMWG-Kriterien die folgenden drei Marker als “Myelom-definierende Ereignisse” (MDEs).

  • Sechzig Prozent oder mehr klonale Plasmazellen bei der Knochenmarksuntersuchung
  • Im Serum beträgt das Verhältnis der beteiligten / unbeteiligten freien Leichtkette 100 oder mehr, vorausgesetzt dass das absolute Niveau der beteiligten freien Leichtkette mindestens 100 mg/l beträgt (“eine beteiligte” freie Leichtkette eines Patienten - Kappa oder Lambda – ist diejenige, die oberhalb des Normbereichs liegt; die unbeteiligte leichte Kette ist diejenige, die im oder unterhalb des Normbereichs liegt)
  • Mehr als eine fokale Läsion im MRT, die mindestens 5 mm oder größer ist.

Die Anwesenheit von mindestens einem dieser Marker ist unabhängig von der Anwesenheit oder Ab­wesen­heit von Symptomen oder CRAB-Kriterien für die Diagnose des multiplen Myeloms ausreichend. Jeder dieser Marker war in zwei oder mehr unabhängigen Studien mit einem etwa 80 prozentigem oder höheren Risiko verbunden, einen mit dem Myelom verbundenen Organschaden innerhalb von zwei Jahren zu ent­wickeln.

Außerdem erlauben die IMWG Kriterien den Einsatz von CT und PET-CT zur Entdeckung osteolytischer Knochenläsionen, die wiederum zur Diagnosestellung eines Myeloms verwendet werden können. Bei Patienten mit zweifelhaften Ergebnissen im MRT, CT und/oder PET-CT empfiehlt der IMWG eine Folge­untersuchung.

Der Einsatz moderner Bildgebungsmethoden bei der Diagnose und Folgeuntersuchungen ermöglicht die Diagnose eines multiples Myeloms, bevor sich ernste Knochenschäden, wie pathologische Brüche, ent­wickeln können.

Aktualisierte Definition vom schwelenden multiplen Myelom

Die überarbeiteten Kriterien für das multiple Myelom betreffen automatisch auch das schwelende multiple Myelom. So wird für die Diagnose eines schwelenden multiplen Myeloms jetzt eine obere Grenze von 60 Prozent für den Prozentsatz klonaler Plasmazellen im Knochenmark gelten. Patienten, die ein schwelendes multiples Myelom haben, sollten weder Myelom-definierende Ereignisse noch eine Amyloidose haben.

Eine neue Art des schwelenden multiplen Myeloms, das sogenannte schwelende Leichtkettenmyelom, ist kürzlich in einer Studie beschrieben worden, die an der Mayo Klinik durchgeführt wurde. Die erforderlichen spezifischen monoklonalen Proteinwerte für diese Diagnose sind ebenfalls hinzugefügt worden.

Aktualisierte Definition und Klassifikation eines Plasmozytoms

Manchmal stellen sich Patienten mit nur einer einzelnen Plasmazellgeschwulst in ihrem Körper vor. Das wird als Plasmozytom bezeichnet. Wenn die Geschwulst sich als eine einzelne Knochenläsion präsentiert, wird es als solitäres Knochenmarksplasmozytom bezeichnet. Wenn es als eine einzelne Geschwulst außerhalb des Knochens vorkommt, ist es ein extramedulläres Plasmozytom.

Echte solitäre Plasmozytome ohne irgendwelche klonalen Plasmazellen im Knochenmark haben eine ausgezeichnete Heilungschance und müssen von fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung sowie dem multiplen Myelom unterschieden werden.

Der IMWG empfiehlt den Begriff “solitäres Plasmozytom mit minimaler Knochenmarksbeteiligung,” wenn das Knochenmark weniger als 10 Prozent klonaler Zellen enthält. Patienten mit einer einzelnen Knochen­schädigung oder einem extramedullären Plasmo­zytom, die 10 Prozent oder mehr klonale Knochen­mark­plasmazellen haben, haben ein multiples Myelom.

Empfohlene Bildgebungsmethoden

MRT, CT oder PET-CT des ganzen Körpers oder der Wirbelsäule/des Beckens sind erforderlich, um eine Diagnose des schwelenden multiplen Myeloms, des solitären Plasmozytoms oder des solitären Plasmo­zytoms mit einer minimalen Knochenmarksbeteiligung zu stellen. Wenn die Bildgebung unklare Befunde zeigt, wird eine Folgeuntersuchung in drei bis sechs Monaten empfohlen.

Monoklonale Gammopathie unbekannter Signifikanz (MGUS)

Die Definition von MGUS hat sich nicht geändert. Jedoch ist eine neue Entität, die sogenannte Leichtketten-MGUS, definiert worden.

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Die Bemühungen des IMWG, die diagnostischen Kriterien zu aktualisieren, war ein Projekt, das viele Jahre Arbeit gekostet hat, einschließlich Forschung und Veröffentlichung von wichtigen Publikationen, um die wichtigen Änderungen zu belegen. Forscher aus der ganzen Welt haben hart an diesem Projekt gearbeitet und detaillierte Beiträge geleistet. Diese Kriterien werden sich weiter entwickeln, weil neue Daten er­schei­nen, und viele Gruppen werden weiterhin neue Biomarker untersuchen.

Jedoch ist die größte Hürde - eine philosophische Veränderung in der Definition von Malignität - geklärt worden, und das wird zukünftige Änderungen, die Patienten helfen werden, erleichtern.

Schlussendlich können keine schriftlichen Kriterien ein klinisches Urteil ersetzen. In vielen Fällen wird es weiterhin im Ermessen der Ärzte liegen zu entscheiden, welche Patienten eine unmittelbare Therapie benötigen und wann eine kontinuierliche Beobachtung im besten Interesse ihrer Patienten liegt.

Dr. S. Vincent Rajkumar ist Professor der Medizin und Vorsitzender der Myeloma Amyloidosis Dysproteinemia Group an der Mayo Klinik in Rochester, Minnesota. Seine Forschung konzentriert sich auf klinische, epidemiologische und Laborforschung für das multiple Myelom und verwandte Erkrankungen.


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[1] The Lancet Oncology: http://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045%2814%2970442-5/fulltext

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