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Eine Übersicht über die Behandlungsmöglichkeiten des multiplen Myeloms in Europa – Teil 2: Therapien für neu diagnostizierte Patienten

By: Jessica Langholtz; Published: May 3, 2010 @ 9:07 am | Comments Disabled

Führende Myelomspezialisten aus ganz Europa haben kürzlich einen Artikel in der Zeitschrift  The Oncologist veröffentlicht, der die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten und die Verfügbarkeit von therapeutischen Behandlungsoptionen für Myelompatienten in Europa zusammenfasst. Dieser Artikel ist der zweite Teil, der die Empfehlungen der europäischen Ärzte für neudiagnostizierte Patienten zusammenfasst. Teil 1 vergleicht die Verfügbarkeit der Myelombehandlungsmöglichkeiten in Europa und den USA, weitere Artikel werden Behandlungsempfehlungen für rezidivierte Patienten und Behandlung von Nebenwirkungen betreffen.

Behandlungsstrategien für neu diagnostizierte Patienten

Wegen der restriktiveren Zulassungsverfahren in Europa gibt es signifikante Unterschiede in den Behandlungspraktiken zwischen Europa und den USA. Im Folgenden sind die auf den neuesten Forschungsergebnissen beruhenden Behandlungsansätze aufgeführt, obwohl nicht alle dieser Therapien in ganz Europa verfügbar sind.

Für Patienten, die für eine Hochdosischemotherapie in Frage kommen

In Europa ist für Patienten, die für eine Stammzelltransplantation in Frage kommen, die Hochdosischemotherpie mit autologer Stammzelltransplantation die Standardtherapie bei neu diagnostiziertem Myelom.

Obwohl die VAD-Kombination mit Vincristin, Doxorubicin (Adriamycin) und Dexamethason die Standardchemotherapie in den 1990 Jahren war, erreicht nur eine kleine Zahl von Patienten unter dieser Therapie eine komplette Remission. Darüber hinaus hatte das Ansprechen auf die Therapie keinen Einfluss auf das Resultat nach der Transplantation, was typischerweise die einzige Zeitspanne ist, in der komplette Remissionen erreicht werden.

Basierend auf dem verbesserten Ansprechen nach Zugabe der neuen Substanzen bei rezidiviertem oder refraktärem Myelom untersucht nun eine Reihe von Studien Induktionstherapien, die Thalidomid, Velcade und Revlimid einschließen.

Thalidomid, in Kombination mit Dexamethason (TD), welches in den USA kürzlich als „Erstlinien-therapie“ zugelassen wurde, zeigt im Vergleich zu VAD bessere Gesamtüberlebensraten, die Rate an kompletten Remissionen bleibt jedoch weiterhin niedrig. Wissenschaftler haben auch Kombinationen aus drei Medikamenten untersucht, z.B. TAD (Thalidomid, Doxorubicin und Dexamethason) und CTD [Cyclophosphamid, Thalidomid und Dexamethason]. Beide Kombinationen zeigten ein verbessertes Gesamtüberleben und verbesserte Ansprechraten.

Es konnte gezeigt werden, dass Velcade in Kombination mit Dexamethason (VD) signifikant besser ist als die Standardtherapie mit VAD und dass die Zugabe von Thalidomid (VTD) die Ansprechraten noch weiter verbessern kann.

Revlimid in Kombination mit Dexamethason, zugelassen bei Patienten, die mindestens eine Vortherapie haben, wird als Induktionstherapie bei neu diagnostizierten Patienten untersucht, ebenso wie die Zugabe von Velcade zu dieser Kombination.

Revlimid kann die Stammzellsammlung negativ beeinflussen. Deshalb wird empfohlen, dass Stammzellen innerhalb von sechs Monaten nach Beginn einer Revlimid-Therapie gesammelt werden sollten.

In Europa gibt es derzeit keine Richtlinien, was die Folgetherapie nach Stammzelltransplantation angeht. Viele Studien deuten an, dass eine kontinuierliche Behandlung Vorteile im Sinne einer Verlangsamung der Krankheitsprogression mit sich bringt. Es gibt jedoch keinen deutlichen Beweis dafür, dass die weitere Behandlung zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens führt.

Für Patienten, die für eine Stammzelltransplantation nicht in Frage kommen

In Europa ist die Standardbehandlung für Patienten, die für eine Stammzelltransplantation nicht in Frage kommen, im Moment beschränkt auf Melphalan plus Prednison (MP) oder Cyclophosphamid  plus Prednison. Obwohl ungefähr 50 Prozent der Patienten darauf ansprechen, wird selten eine komplette Remission erreicht und das mediane Gesamtüberleben beträgt drei Jahre.

Eine Reihe von Studien hat kürzlich die Zugabe der neuen Substanzen zur Standard MP Behandlung untersucht.

Resultate von fünf Studien wurden veröffentlicht, die die Zugabe von Thalidomid zu MP (MPT) untersuchten. In allen Studien führte die MPT-Behandlung im Vergleich zu MP zu verbesserten Ansprechraten, einem längeren progressionsfreien Überleben und einem längeren ereignisfreien Überleben. Die Effekte auf das Gesamtüberleben waren jedoch nicht konsistent.

Thalidomid wurde auch in Kombination mit Dexamethason und Cyclophosphamid und in Kombination mit Dexamethason allein untersucht. Es ist jedoch noch nicht klar, dass diese Kombinationen besser sind als MP.

Die Resultate einer Phase 1/2-Studie deuten darauf hin, dass die Zugabe von Revlimid zu MP (MPR) eine 81%ige Ansprechrate und eine Rate von 24 Prozent kompletter Remission induziert. Weitere randomisierte Studien werden benötigt, um diese Resultate zu bestätigen.

Eine Phase 3-Studie, die die Zugabe von Velcade zu MP (VMP) untersucht hat, zeigte, dass die VMP-Therapie bei den Raten an kompletter Remission (30 Prozent versus 4 Prozent), kompletter + partieller Remission (71% versus 35%), sowie der Zeit bis zur Progression (24 Monate versus 17 Monate) der MP-Therapie überlegen ist.

Eine italienische Studie untersuchte die Zugabe von Thalidomid zu VMP (VMPT), was zu einer verbesserten Ansprechrate (84 Prozent versus 78 Prozent) und einer verbesserten Rate an kompletten Remissionen (35 Prozent versus 21 Prozent) führte.

Die VMPT-Studie sowie eine weitere Studie verglichen die Standardgabe von Velcade zweimal wöchentlich mit einer reduzierten Gabe von nur einmal wöchentlich. Beide Studien zeigten, dass die Wirkung beider Dosierungen annähernd gleich war, die Nebenwirkungen mit der reduzierten Dosierung jedoch deutlich reduziert werden konnten.

Für Patienten mit Nierenversagen

Nierenversagen, eine schwerwiegende Komplikation des multiplen Myeloms, erfordert eine rasche nebenwirkungsarme Myelom-Therapie.

Velcade ist für Patienten mit Nierenversagen gut geeignet, da es schnell wirkt und die Dosierung für diese Patientengruppe nicht angepasst werden muss. Darüber hinaus konnte in vielen Fällen eine deutliche Verbesserung der Nierenfunktion unter Velcade beobachtet werden.

Eine Studie hat die Wirkung von Velcade, Doxorubicin und Dexamethason auf die Nierenfunktion untersucht und fand eine Verbesserung der Nierenfunktion bei 62 Prozent der Patienten und eine vollständige Wiederherstellung der Nierenfunktion bei 31 Prozent der Patienten.

Thalidomid, eine andere mögliche Behandlungsoption bei Nierenversagen, führte bei der Mehrzahl der Patienten, die auf die Thalidomidbehandlung ansprachen, zu einer Erholung der Nierenfunktion.

Revlimid, welches über die Niere ausgeschieden wird, erfordert eine Dosisanpassung, wenn es bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion eingesetzt wird. Prospektive Studien, die die Wirkung von Revlimid auf die Nierenfunktion untersuchen, laufen derzeit,

Für Patienten mit Hochrisiko-Myelom

Verschiedene chromosomale Veränderungen sind mit einer schlechten Prognose verbunden, die man auch als Hochrisiko-Myelom bezeichnet. Der Einsatz der neuen Substanzen könnte das Ergebnis bei diesen Patienten verbessern.

Eine Reihe von Studien haben gezeigt, dass Velcade bei Patienten mit chromosomalen Abnormitäten wirksam ist. Sowohl im Rezidiv als auch bei neu diagnostizierten älteren Patienten war das Ansprechen auf Velcade unabhängig von den chromosomalen Veränderungen.

Die Zugabe von Thalidomid zum Total-Therapie-2-Protokoll verbesserte das Überleben von Hochrisikopatienten signifikant. TD war deutlich wirksamer bei Patienten mit nur einer chromosomalen Abnormität als bei Patienten mit mehreren Abnormitäten.

Revlimid wurde ebenfalls in unterschiedlichen Gruppen von Hochrisikopatienten untersucht. Das Ansprechen unterschied sich je nach Art der chromosomalen Abnormität.

Größere prospektive Studien werden benötigt, um einen besseren Ansatz zu finden, Patienten entsprechend ihren chromosomalen Veränderungen zu behandeln.

Empfehlungen für die Erstlinientherapie

Basierend auf den vorhandenen Daten für die neuen Substanzen folgerten die Autoren der Studie, dass die folgenden Behandlungen als Erstlinientherapie empfohlen werden sollen: VD, VTD, CTD, Prednison-Doxorubicin-Dexamethason (PAD) und Thalidomid-Doxorubicin-Dexamethason (TAD). TD und VAD sind, bezogen auf ihre Wirksamkeit, gleichwertig. Daher ist TD kein optimaler Ersatz.

Bei älteren Patienten und Patienten, die für eine Stammzelltransplantation nicht in Frage kommen, sollte die Standard MP-Behandlung um eine der neuen Substanzen ergänzt werden. MPT und VMP zeigten deutlich verbesserte Ansprechraten im Vergleich zu alleinigen Gabe von MP. Revlimid plus Dexamethason sowie MPR können beide brauchbare Behandlungsoptionen für ältere Patienten sein.

Im Fall von Nierenversagen kann Velcade das ideale Medikament sein, obwohl Thalidomid auch die Nierenfunktion verbessert und die Revlimidstudien noch nicht beendet sind.

Bei Hochrisikopatienten ist der Einsatz von Velcade bisher am besten durch Studien belegt, weitere Studien werden jedoch benötigt.

Mehr Information kann man im Abstrakt der Zeitschrift The Oncologist [1] nachlesen.

Englisches Original: An Overview Of Myeloma Treatment Options In Europe – Part 2: First-Line Treatment Practices [2]


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URLs in this post:

[1] The Oncologist: http://theoncologist.alphamedpress.org/cgi/content/abstract/15/1/6

[2] An Overview Of Myeloma Treatment Options In Europe – Part 2: First-Line Treatment Practices: https://myelomabeacon.org/news/2010/05/03/an-overview-of-myeloma-treatment-options-in-europe-part-2-first-line-treatment-practices/

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